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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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sie – gab er ihr etwa Feuer? Addie rauchte seit Jahren nicht mehr. Aber da stand sie, die Arme verschränkt, warf den Kopf in den Nacken wie eine Fremde und blies Rauchwolken in die Luft.
    »Jungs mögen das nicht, wenn Mädchen sich hochnäsig benehmen«, sagte der Fahrer.
    Harriet stieg aus – die Tür stand immer noch offen – und ging schnell die Treppe zum Bestattungsinstitut hinauf.

    Ein verzweifelter Schauder lief Danny zellophanknisternd über den Nacken, als er am Bestattungsinstitut vorbeiraste. Luftige Methamphetamin-Klarheit glidderte in neunhundert verschiedenen Richtungen gleichzeitig über seinen Körper. Stundenlang hatte er das Mädchen gesucht, überall, die ganze Stadt hatte er durchkämmt, durch die Wohnstraßen war er gekreuzt, Schleife um endlose Schleife im Kriechtempo. Und jetzt, als er sich gerade entschlossen hatte, Farishs Auftrag in den Wind zu schlagen und die Suche einzustellen: Volltreffer.
    Und ausgerechnet bei Catfish. Das war der Hammer. Natürlich konnte man nie genau sagen, wo Catfish auftauchen würde, denn sein Onkel gehörte zu den reichsten Leuten der Stadt, ob schwarz oder weiß, und saß an der Spitze eines beträchtlichen Unternehmensimperiums: mit Totengräber- Baumbeschneider-, Fassadenanstreicher-, Wurzelroder-, Dachdecker-, Lotterie-, Auto- und Hausgerätereparatur- und einem halben Dutzend anderen Firmen. Man wusste nie, wo Catfish auftauchte: in Niggertown, wo er für seinen Onkel Mieten kassierte, auf einer Leiter am Gericht, wo er die Fenster putzte, am Steuer eines Taxis oder eines Leichenwagens.
    Aber das jetzt? Diese ausgeflippte Realität von zwanzig Autos hintereinander? Es war ja wohl ein bisschen allzu viel Zufall, das Mädchen (ausgerechnet das Mädchen) mit Catfish in
einer Bestattungslimousine von Bienville sitzen zu sehen. Catfish wusste, dass eine sehr umfangreiche Ladung Stoff auf Auslieferung wartete, und er war ein bisschen zu beiläufig neugierig, wo Danny und Farish das Zeug aufbewahrten. Ja, er war ein bisschen zu wissbegierig gewesen in seiner lässigen, redseligen Art, hatte sich nicht nehmen lassen, schon zweimal beim Trailer »vorbeizukommen«, war unangemeldet angerollt in seinem Gran Torino, schattenhaft hinter den getönten Scheiben. Er hatte sich ungewöhnlich lange im Bad aufgehalten, hatte rumgestöbert und den Wasserhahn vollrohr laufen lassen. Er war ein bisschen zu schnell aufgestanden, als Danny herausgekommen war und ihn dabei erwischt hatte, wie er unter den TransAm guckte. Reifenplatten, hatte er gesagt. Dachte, du hättest’n platten Reifen, Mann. Der Reifen war in Ordnung, und das wussten sie beide.
    Nein. Catfish und das Mädchen waren das geringste seiner Probleme, dachte er mit einem hoffnungslosen Gefühl der Unausweichlichkeit, als er über die Schotterstraße zum Wasserturm holperte. Ihm kam es so vor, als holperte er hier dauernd entlang, im Bett, in seinen Träumen, fünfundzwanzigmal am Tag durch immer dasselbe Schlagloch. Nein, es lag nicht nur an den Drogen, dieses dauernde Gefühl, beobachtet zu werden. Der Einbruch bei Eugene, der Angriff auf Gum – sie alle schauten jetzt unablässig über die Schulter und zuckten beim kleinsten Geräusch zusammen. AberAnlass zur größten Sorge bereitete inzwischen Farish, der so heiß gelaufen war, dass er kurz vor dem Überkochen stand.
    Als Gum im Krankenhaus war, hatte Farish keinen Grund mehr gehabt, auch nur so zu tun, als ginge er ins Bett. Stattdessen blieb er jetzt die ganze Nacht auf, jede Nacht, und Danny musste mit ihm aufbleiben, er ging auf und ab, schmiedete Pläne bei Sonnenaufgang hinter geschlossenen Vorhängen, zog seine Lines auf dem Spiegel und quatschte sich heiser. Und jetzt, wo Gum wieder zu Hause war (in stoischem Desinteresse schlurfte sie mit schlaftrunkenen Augen an der Tür vorbei auf dem Weg zur Toilette), änderte ihre Anwesenheit nichts an diesem Muster, aber sie steigerte Farishs Unruhe ins beinahe Unerträgliche.
Ein geladener .38er erschien auf dem Couchtisch neben dem Spiegel und den Rasierklingen. Bestimmte Gruppen  – gefährliche Gruppen – hatten es auf ihn abgesehen. Die Sicherheit ihrer Großmutter stand auf dem Spiel. Und, ja, Danny mochte über manche dieser Theorien den Kopf schütteln, aber wer weiß? Dolphus Reese (seit dem Zwischenfall mit der Kobra persona non grata ) brüstete sich oft mit seinen Beziehungen zum organisierten Verbrechen. Und das organisierte Verbrechen, das den Vertrieb der Drogen übernommen hatte,

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