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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Lehmboden und zwischen den Müll (zerbrochene Liegestühle, leere Bier-, Soda- und Motoröldosen, ein Schlachtfeld voller Schrauben und Transistoren und Zahnräder und zerlegten Getrieben), und ehe Danny sich aufrappeln konnte, sprang er herab und trat ihm in die Rippen.
    »Wo fährst du hin, wenn du allein unterwegs bist?«, schrie er. »Hä?«
    Danny rutschte das Herz in die Hose. Hatte er im Schlaf gesprochen?
    »Du hast gesagt, du überweist Gums Rechnungen. Aber du hast sie nicht überwiesen. Sie haben zwei Tage auf dem Sitz gelegen, nachdem du zurückgekommen bist – was weiß ich, wo du gewesen bist. Die Reifen dick voll Lehm, den du auch nicht kriegst, wenn du die Main Street runter zur Post fährst, oder?«
    Wieder versetzte er Danny einen Fußtritt. Danny rollte zur Seite, krümmte sich zusammen und umschlang seine Knie.
    »Steckt Catfish auch mit drin?«
    Danny schüttelte den Kopf. Er schmeckte Blut im Mund.
    »Ich werd’s tun. Ich bring diesen Nigger um. Ich bring euch beide um.« Farish riss die Beifahrertür des Trans Am auf, packte Danny beim Genick und stieß ihn hinein.
    »Du fährst«, schrie er.
    Danny fragte sich, wie er den Wagen vom Beifahrersitz aus fahren sollte, und befühlte seine blutige Nase. Gott sei Dank bin ich nicht high, dachte er und wischte sich mit dem Handrücken über die aufgesprungene Lippe, Gott sei Dank bin ich nicht high, sonst würde ich jetzt durchdrehen...
    »Fahren?«, strahlte Curtis und kam zum offenen Fenster getappt, und mit seinen orangeverschmierten Lippen machte er bruuum bruuum. Erst dann sah er entsetzt das Blut in Dannys Gesicht.
    »Nein, Baby«, sagte Danny, »du fährst nirgendwohin.« Bevor
er noch zu Ende gesprochen hatte, erschlaffte Curtis’ Gesicht jäh. Er schnappte nach Luft, drehte sich um und rannte davon, als Farish die Fahrertür öffnete: klick. Ein Pfiff. »Rein«, sagte er, und ehe Danny begriff, was passierte, sprangen Farishs zwei Deutsche Schäferhunde auf den Rücksitz. Der eine, Van Zant hieß er, hechelte Danny geräuschvoll ins Ohr; sein Atem war heiß und stank nach verwestem Fleisch.
    Danny krampfte sich der Magen zusammen. Das war ein schlechtes Zeichen. Die Hunde waren abgerichtet und scharf. Einmal hatte die Hündin sich aus dem Zwinger gewühlt und Curtis durch seine Jeans ins Bein gebissen, und zwar so schlimm, dass er im Krankenhaus genäht werden musste.
    »Farish, bitte«, sagte er. Farish klappte die Lehne wieder zurück und setzte sich ans Steuer.
    »Klappe.« Farish blickte starr mit merkwürdig tot wirkenden Augen geradeaus. »Die Hunde kommen mit.«
    Danny wühlte mit großem Getue in seiner Hosentasche herum. »Wenn ich fahren soll, brauch ich meine Brieftasche.« Was er in Wirklichkeit brauchte, war irgendeine Waffe, und sei es nur ein Messer.
    Im Wagen war es glühend heiß. Danny schluckte. »Farish?«, sagte er. »Wenn ich fahren soll, brauch ich meinen Führerschein. Ich geh eben rein und hol ihn.«
    Farish lehnte sich zurück, schloss die Augen und blieb einen Moment lang so sitzen, völlig reglos und mit flatternden Lidern, als stemme er sich gegen einen drohenden Herzanfall. Dann richtete er sich ganz plötzlich auf und brüllte aus voller Lunge: »Eugene!«
    »Hey«, sagte Danny durch das ohrenbetäubende Kläffen vom Rücksitz, »du brauchst ihn doch nicht rauszurufen. Ich geh schon selbst, okay?«
    Er griff zur Türklinke. »Ho, das hab ich gesehen!«, schrie Farish.
    »Farish ...«
    »Das hab ich auch gesehen!« Farishs Hand schoss zu seinem Stiefelschaft hinunter. Hat er da ein Messer drin?, dachte Danny. Super.
    Halb atemlos vor Hitze und mit vor Schmerz pochenden Gliedern saß er einen Augenblick lang still da und dachte nach. Was konnte er tun, damit Farish sich nicht noch einmal auf ihn stürzte?
    »Ich kann auf dieser Seite nicht fahren«, sagte er. »Ich geh rein, hol meine Brieftasche, und wir tauschen die Plätze.«
    Aufmerksam beobachtete er seinen Bruder. Aber Farishs Gedanken waren abgeschweift. Er hatte sich zum Rücksitz umgedreht und ließ sich von den Schäferhunden das Gesicht ablecken.
    »Diese Hunde«, sagte er drohend und hob das Kinn, um sich der hektischen Zuneigung zu entziehen, »diese Hunde bedeuten mir mehr als jeder Mensch, der je geboren wurde. An diesen beiden Hunden liegt mir mehr als an jedem menschlichen Leben, das je gelebt wurde.«
    Danny wartete. Farish küsste und streichelte die Hunde und murmelte in einer unverständlichen Babysprache. Nach ein, zwei Augenblicken (die

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