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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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Hause. Er war eines schrecklichen Todes gestorben, dieser alte Mann, und schon der Gedanke daran war Harriet unerträglich. Einbrecher waren in sein Haus eingedrungen; sie hatten ihn gezwungen, sich neben seinem Bett auf den Boden zu legen, und ihn mit einem Baseballschläger besinnungslos geschlagen. Als die Nachbarn schließlich anfingen, sich Sorgen zu machen, und nach ihm sahen, hatte er tot in einer Blutlache gelegen.
    Sie war jetzt an dem gegenüberliegenden Eisenpfeiler angekommen und lehnte sich dagegen. Die Leiter war gleich dahinter. Dorthin zu gelangen war nicht mehr so kompliziert, aber sie war müde und wurde unvorsichtig. Als sie die Leiter gepackt hatte, durchfuhr sie jähes Entsetzen, denn sie war mit dem Fuß abgerutscht und hatte sich nur mit knapper Not festhalten können. Jetzt war der gefährliche Augenblick vorbei, bevor sie es begriffen hatte.
    Sie machte die Augen zu und hielt sich fest, bis sie wieder normal atmete. Als sie sie öffnete, war es, als hänge sie an der Strickleiter eines Heißluftballons. Die ganze Erde breitete
sich in weitem Panorama vor ihr aus, aber dies war nicht der Augenblick für Tagträume. Das Dröhnen eines Sprühflugzeugs  – das sie einen Moment lang für das Motorengeräusch eines Autos hielt – jagte ihr einen üblen Schrecken ein, und sie drehte sich um und kletterte den Rest der Leiter hinauf, so schnell sie konnte.

    Danny lag still auf dem Rücken und starrte an die Decke. Er fühlte sich schwach wie nach einem Fieber, und plötzlich wurde ihm klar, dass er schon geraume Zeit zu diesem Sonnenlichtstreifen hinaufschaute. Irgendwo draußen hörte er Curtis singen, ein Wort, das klang wie »Gummidrops«, immer wieder, und während er so dalag, drang ihm ein seltsames klopfendes Geräusch ins Bewusstsein – wie von einem Hund, der sich auf dem Boden neben seinem Bett kratzte.
    Danny stemmte sich mühsam auf den Ellenbogen hoch und fuhr heftig erschrocken zurück, als er Farish erblickte, der mit verschränkten Armen auf dem Stuhl saß, auf dem Eugene gesessen hatte, mit dem Fuß auf den Boden tappte und ihn mit einem verklebten Auge nachdenklich betrachtete. Sein Bart war rings um den Mund tropfnass, als habe er sich bekleckert, oder als habe er gesabbert und an seinen Lippen genagt.
    Ein Vogel – ein Hüttensänger oder so etwas, ein niedliches twideldii wie im Fernsehen – zwitscherte vor dem Fenster. Danny rutschte zur Seite und wollte sich aufsetzen, aber Farish schnellte vor und gab ihm einen Stoß gegen die Brust.
    »Oh nein, nichts da.« Sein Amphetaminatem schlug Danny heiß und faulig ins Gesicht. »Dich hab ich am Arsch.«
    »Jetzt komm schon«, sagte Danny müde und wandte das Gesicht ab, »lass mich aufstehen.«
    Farish bog sich zurück, und einen Moment lang loderte ihr toter Vater aus der Hölle herauf und funkelte verächtlich hinter Farishs Augen hervor.
    »Halt den Mund«, zischte er und stieß Danny auf das Kopfkissen, »sag kein Wort, hör mir zu. Du unterstehst jetzt mir.«
    Verwirrt blieb Danny liegen und rührte sich nicht.
    »Ich hab Verhöre gesehen«, sagte Farish, »und ich hab gesehen, wie Leute unter Drogen gesetzt wurden. Nachlässigkeit. Die wird uns alle umbringen. Schlafwellen sind magnetisch.« Er tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn. »Kapierst du? Kapierst du? Sie können dein ganzes Wesen auslöschen. Du öffnest dich elektromagnetischen Kapazitäten, die das ganze System deiner Loyalität versauen und zerstören, einfach so.«
    Er ist komplett durchgeknallt, dachte Danny. Farish atmete schnell durch die Nase und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, um kurz darauf das Gesicht zu verziehen und die Hand mit gespreizten Fingern vom Körper wegzuschütteln, als habe er etwas Schleimiges, Ekliges angefasst.
    »Werde mir ja nicht superschlau!«, brüllte er, als er sah, dass Danny ihn anschaute.
    Danny senkte den Blick und entdeckte Curtis, der durch die offene Tür in den Trailer lugte; sein Kinn war auf der Höhe der Türschwelle. Sein Mund war orangegelb verschmiert, als habe er mit dem Lippenstift ihrer Großmutter gespielt, und auf seinem Gesicht lag ein verschwörerischer, amüsierter Ausdruck.
    Froh über die Ablenkung lächelte Danny ihm zu. »Hey, Alligator«, sagte er, aber bevor er sich nach dem orangegelben Zeug an Curtis’ Mund erkundigen konnte, fuhr Farish herum, stieß einen Arm in die Höhe und kreischte: »Raus, raus, raus ! «
    Im Handumdrehen war Curtis verschwunden, und man hörte ihn die

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