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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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aufmerksam, aber keineswegs mitleidsvoll oder auch nur erschrocken. Zu spät erkannte er seinen Fehler: Ihre Bewunderung war schwer genug zu erringen, aber der Versuch, ihr Mitgefühl zu wecken, würde ihm überhaupt nichts einbringen.
    Er sprang vom Fußende herunter und ging zur Tür hinüber. »Ich hab sie mit Steinen beworfen«, berichtete er tapfer. »Und sie angeschrien. Da sind sie weggelaufen.«
    »Womit haben sie denn geschossen?«, fragte Harriet. »Mit einem Luftgewehr?«
    »Nein« , antwortete Hely nach einer kurzen, schockierten Pause. Wie konnte er ihr klar machen, wie knapp es gewesen war, wie gefährlich? »Es war eine richtige Pistole, Harriet. Mit richtigen Kugeln. Überall rannten Nigger durcheinander...« Er wedelte mit dem Arm, überwältigt von der Unmöglichkeit, ihr das alles vor Augen zu führen – die heiße Sonne, die Echos an der Böschung, das Gelächter, die Panik ...
    »Wieso bist du nicht mitgekommen?«, heulte er. »Ich hab dich angefleht , mitzukommen...«
    »Wenn sie mit einer echten Pistole geschossen haben, war es, finde ich, ziemlich dumm von dir, da rumzustehen und mit Steinen zu werfen.«
    »Nein! Das hab ich nicht...«
    »Doch, genau das hast du gesagt.«
    Hely atmete tief durch, und plötzlich war er schlaff vor Erschöpfung und Hoffnungslosigkeit. Die Sprungfedern wimmerten, als er sich wieder hinsetzte. »Willst du nicht mal wissen, wer es war?« sagte er. »Es war so unheimlich, Harriet. Einfach so... unheimlich ...«
    »Natürlich will ich das wissen«, sagte Harriet, aber sie wirkte nicht besorgt oder sonst wie beunruhigt. »Wer war es denn? Irgendwelche Kids?«
    »Nein , sagte Hely betrübt. »Erwachsene. Große Kerle. Sie haben versucht, die Schwimmer von den Angelruten abzuschießen.«
    »Und warum haben sie auf dich geschossen?«
    »Sie haben auf jeden geschossen. Nicht bloß auf mich. Sie haben...«
    Er brach ab, als Harriet aufstand. Erst jetzt sah er ganz bewusst ihren Schlafanzug, ihre schmierigen schwarzen Hände, die schmutzigen Sachen auf dem sonnenwarmen Teppich.
    »Hey Mann. Was ist denn das für ein schwarzes Zeug?«, fragte er voller Anteilnahme. »Hast du irgendwie Schwierigkeiten?«
    »Ich hab aus Versehen einem Vogel den Flügel abgerissen.«
    »Igitt. Wie kam denn das?« Hely hatte seine eigenen Sorgen für den Augenblick vergessen.
    »Er war im Teer hängen geblieben. Er wäre sowieso gestorben, oder eine Katze hätte ihn geholt.«
    »Ein lebendiger Vogel?«
    »Ich wollte ihn retten.«
    »Und was ist mit deinen Sachen passiert?«
    Sie sah ihn an, unbestimmt und verständnislos.
    »Das geht nicht ab. Nicht, wenn es Teer ist. Ida wird dir den Arsch versohlen.«
    »Ist mir egal.«
    »Guck hier. Und hier. Der ganze Teppich ist voll.«
    Eine Zeit lang hörte man nichts außer dem Surren des Fensterventilators.
    »Meine Mutter hat ein Buch zu Hause, da steht drin, wie man verschiedene Flecken wegbekommt«, sagte Hely schließlich leiser. »Ich hab mal wegen Schokolade nachgesehen, als ich einen Riegel auf dem Sessel liegen gelassen hatte und der geschmolzen war.«
    »Und hast du es weggekriegt?«
    »Nicht ganz, aber sie hätte mich umgebracht, wenn sie es vorher gesehen hätte. Gib mir deine Sachen. Ich kann sie mit nach Hause nehmen.«
    »Ich wette, Teer steht nicht in dem Buch.«
    »Dann kann ich sie wegschmeißen.« Hely war dankbar, dass er endlich ihre Aufmerksamkeit hatte. »Du bist verrückt, wenn du sie in eure eigene Mülltonne wirfst. Hier«, er ging auf die andere Seite des Bettes, »hilf mir, das zu verrücken, damit sie den Teppich nicht sieht.«

    Odean, Libbys Hausmädchen, die in ihrem Kommen und Gehen ziemlich kapriziös war, hatte Libbys Küche samt einem halb ausgerollten Pastetenteig im Stich gelassen. Als Harriet hereinspaziert kam, war der Küchentisch mit Mehl überstäubt und übersät von Apfelschalen und Teigkrümeln. Am anderen Ende – winzig und zerbrechlich – saß Libby und trank ihren schwachen Tee. Die Tasse erschien übergroß in ihren kleinen, altersfleckigen Händen. Sie war über die Zeitung mit dem Kreuzworträtsel gebeugt.
    »Oh, wie froh ich bin, dass du gekommen bist, Darling«, sagte sie, ohne Harriets umstandsloses Eintreten zu kommentieren und ohne sie, wie Edie es sofort getan hätte, auszuschimpfen, weil sie mit einer Pyjamajacke über der Jeans und mit diesen schwarzen Händen über die Straße gelaufen war. Abwesend klopfte sie mit der flachen Hand auf den Stuhl neben ihr. »Der Commercial Appeal hat

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