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Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Der kleine Freund: Roman (German Edition)

Titel: Der kleine Freund: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Tartt
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nach Hause, und ihr Mann und ihre Kinder berichteten alle, sie habe einen Satz rückwärts gemacht und mit den Händen in die Luft geschlagen, als sei etwas hinter ihr her, und ehe sie sich versahen, fiel sie um und lag auf dem Boden in der Küche. Tot.«
    »Wahrscheinlich hat eine Spinne sie gebissen.«
    »Aber so stirbt man nicht an einem Spinnenbiss.«
    »Oder sie hatte einen Herzanfall.«
    »Nein, nein, dazu war sie zu jung. Sie war noch nie im Leben krank gewesen, sie war nicht allergisch gegen Bienenstiche, und es war kein Aneurisma oder so was. Sie fiel einfach tot um, ohne jeglichen Grund, vor den Augen ihres Mannes und ihrer Kinder.«
    »Es klingt nach Gift. Ich wette, ihr Mann war’s.«
    »Er hat nichts dergleichen getan. Aber das ist auch nicht das Merkwürdige an der Geschichte, Darling.« Höflich klapperte Libby mit den Augendeckeln und wartete, bis sie sicher war, dass Harriet ihr aufmerksam zuhörte. »Du musst wissen, dass Viola Gibbs eine Zwillingsschwester hatte. Und das Merkwürdige an der Geschichte ist, dass ein Jahr davor, auf den Tag genau ein Jahr «, Libby klopfte mit dem Zeigefinger auf den Tisch, »diese Zwillingsschwester aus einem Swimmingpool in Miami, Florida, stieg und plötzlich ein entsetztes Gesicht machte, das ist es, was die Leute sagten, ein entsetztes Gesicht. Dutzende von Leuten haben es gesehen. Dann fing sie an zu schreien und mit den Händen in die Luft zu schlagen. Und ehe sich jemand versah, lag sie tot auf dem Zementboden.«
    »Wieso?«, fragte Harriet nach einer verblüfften Pause.
    »Das weiß niemand.«
    »Aber das verstehe ich nicht.«
    »Das versteht auch sonst niemand.«
    »Man wird doch nicht einfach von irgendetwas Unsichtbarem angegriffen.«
    »Diese beiden Schwestern doch. Zwillingss chwestern. Im Abstand von genau einem Jahr.«
    »Bei Sherlock Holmes gab es einen Fall, der ganz ähnlich war. Das gefleckte Band .«
    »Ja, ich kenne die Story, Harriet, aber das hier ist doch etwas anderes.«
    »Wieso? Glaubst du, der Teufel war hinter ihnen her?«
    »Ich sage nur, dass es furchtbar vieles auf der Welt gibt, das wir nicht verstehen, Schatz, und dass es geheime Zusammenhänge zwischen Dingen gibt, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben.«
    »Glaubst du, der Teufel hat Robin ermordet? Oder ein Geist?«
    »Du lieber Himmel.« Libby griff verstört nach ihrer Brille. »Was ist denn da draußen los?«
    Tatsächlich war draußen irgendein Aufruhr im Gange: aufgeregte Stimmen, ein bestürzter Aufschrei von Odean. Harriet folgte Libby in die Küche und sah eine korpulente, schwarze alte Frau mit fleckigen Wangen und grauen Zopfreihen, die am Tisch saß und in ihre Hände schluchzte. Hinter ihr, sichtlich entsetzt, war Odean dabei, Buttermilch in ein Glas mit Eiswürfeln zu gießen. »Is meine Tante«, sagte sie, ohne Libby in die Augen zu sehen. »Is ’n bisschen aufgeregt. Wird gleich wieder gehen.«
    »Ja, was um alles in der Welt ist denn passiert? Brauchen wir einen Arzt?«
    »Nee. Sie is nich verletzt. Bloß durcheinander.’n paar Weiße haben unten am Bach auf sie geschossen.«
    »Geschossen ? Was um alles...«
    »Trink’n bisschen Buttermilch«, sagte Odean zu ihrer Tante, deren Busen mächtig wogte.
    »Ein Gläschen Madeira würde ihr eher gut tun«, sagte Libby und trippelte zur Hintertür. »Ich habe keinen im Haus. Ich laufe rasch zu Adelaide hinüber.«
    »Nein«, heulte die alte Frau. »Ich trink kein Schnaps.«
    »Aber...«
    »Bitte, Ma’am. Nein. Keinen Whiskey.«
    »Aber Madeira ist kein Whiskey, es ist nur... o Gott.« Hilflos wandte sie sich an Odean.
    »Das geht gleich wieder.«
    »Was ist denn passiert?« Libby hielt die Hand an ihre Kehle und schaute bang zwischen den beiden Frauen hin und her.
    »Ich hab keinem was getan.«
    »Aber warum ...«
    »Sie sagt «, berichtete Odean ihr, »zwei Weiße sind auf die Brücke gestiegen und haben mit Pistolen auf die Leute geschossen.«
    »Ist jemand verletzt worden? Soll ich die Polizei rufen?«, fragte Libby atemlos.
    Dies veranlasste Odeans Tante zu einem Schreckensschrei, der sogar Harriet in die Glieder fuhr.
    »Was um alles in der Welt ist denn los?« Libby war inzwischen rosarot im Gesicht und halb hysterisch.
    »Oh, bitte, Ma’am. Nein. Bitte nich die Polizei rufen.«
    »Aber warum denn nicht?«
    »O Gott, ich hab Angst vor der Polizei.«
    »Sie sagt, es waren welche von den Ratliff-Jungs«, erzählte Odean. »Sind grad aus’m Gefängnis raus.«
    »Ratliff? «, wiederholte Harriet, und

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