Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
Vom Netzwerk:
kindlich und
zuversichtlich bestrebt war, dem Großvater zu gefallen. Hart,
grausam und hochfahrend, wie der alte Graf war, konnte er sich doch
einer heimlichen Freude bei dieser neuen Empfindung nicht entschlagen
und fand es, bei Lichte besehen, recht angenehm, einmal jemand zu
begegnen, der ihm nicht mißtraute, nicht vor ihm
zurückschreckte und die schlimmen Seiten seiner Natur nicht
ahnte, jemand, der ihn mit hellen Augen vertrauensvoll ansah
– und wär's auch nur ein kleiner Junge in einem
schwarzen Samtanzuge!
    So lehnte sich der alte Mann behaglich in seinen Stuhl
zurück und ermunterte seinen jungen Gefährten zum
Plaudern, wobei es immer seltsam um seine Mundwinkel zuckte. Lord
Fauntleroy entfaltete sein ganzes Konversationstalent und schwatzte
unbefangen und vertraulich; die ganze Geschichte von Dick und Jack, die
Verhältnisse der Apfelfrau aus altem Geschlecht und seine
Freundschaft mit Mr. Hobbs wurden dem Großvater anvertraut,
woran sich dann eine begeisterte Schilderung des republikanischen
Wahltriumphes in all seiner Pracht und Herrlichkeit samt Bannern,
Transparenten, Fackeln und Raketen anschloß.
Schließlich kam er auch auf den 4. Juli zu sprechen und geriet
in große Ekstase, bis ihm plötzlich etwas in den Sinn
kam und er unvermittelt abbrach.
    »Nun, was gibt's?« fragte der
Großvater. »Weshalb sprichst du nicht
weiter?«
    Lord Fauntleroy rückte verlegen auf seinem Stuhle hin
und her.
    »Es fiel mir eben ein, daß du das vielleicht
nicht gerne hörst,« erwiderte er.
»Vielleicht ist einer von deinen Angehörigen dabei
gewesen. Ich habe gar nicht daran gedacht, daß du ein
Engländer bist.«
    »Sprich nur ruhig weiter,« sagte Mylord.
»Ich habe keine persönlichen Beziehungen zu der
Sache. Du hast wohl auch vergessen, daß du ein
Engländer bist.«
    »O nein,« fiel ihm Cedrik rasch ins Wort,
»ich bin ein Amerikaner.«
    »Du bist ein Engländer,«
erklärte der alte Herr kurz. »Dein Vater war ein
Engländer.«
    Die Sache war ihm ziemlich spaßhaft. Cedrik dagegen
nahm es sehr ernst. Auf eine solche Auffassung der Dinge war er nicht
vorbereitet gewesen, und sein Gesichtchen ward dunkelrot.
    »Ich bin in Amerika geboren,« protestierte
er, »und wenn man in Amerika geboren ist, muß man ein
Amerikaner sein. Es thut mir leid, daß ich dir widersprechen
muß,« setzte er artig und rücksichtsvoll
hinzu. »Mr. Hobbs hat mir gesagt, daß, wenn wieder
einmal ein Krieg käme, ich ein Amerikaner sein
müßte.«
    Der Graf stieß ein kurzes Lachen aus, es klang hart
und grimmig, aber es war doch ein Lachen.
    »Und das würdest du thun?« sagte er.
    Er haßte Amerika und die Amerikaner, aber der
ernsthafte eifrige Patriotismus des kleinen Mannes ergötzte
ihn, und er sagte sich, daß aus diesem guten Amerikaner seiner
Zeit ein guter Engländer werden könne.
    Weitere Vertiefung in die Politik ward durch die Meldung,
daß aufgetragen sei, abgeschnitten. Cedrik erhob sich sofort
und ging zum Großvater hin, mit einem bedenklichen Blick auf
dessen gichtisches Bein.
    »Soll ich dir helfen?« fragte er freundlich.
»Du kannst dich auf mich stützen, weißt du.
Einmal hat Mr. Hobbs einen schlimmen Fuß gehabt, weil ihm ein
Kartoffelsack darauf gefallen war, da hab' ich ihn immer
geführt.«
    Der feierliche Diener hätte fast seine Stellung und
seinen Ruf durch ein unziemliches Lächeln aufs Spiel gesetzt.
Es war ein sehr vornehmer Diener, der immer nur in aristokratischen
Diensten gestanden hatte und sich vollständig
entwürdigt und entehrt gefühlt haben würde,
wenn er sich etwas so Unverzeihliches gestattet hätte, wie ein
Lächeln in Gegenwart der Herrschaft. Diesmal aber war die
Gefahr groß gewesen, und er konnte sich nur dadurch retten,
daß er über seines Herrn Schulter hinweg unverwandt
auf ein besonders häßliches Bild hinstarrte.
    Der Graf maß den ritterlichen kleinen Knirps von
Enkel vom Kopf bis zu den Füßen.
    »Meinst du, daß du das
könntest?« fragte er rauh.
    »Ich glaube ja,« erwiderte Cedrik.
»Ich bin sehr stark, weißt du, bin auch schon sieben.
Du kannst dich auf einer Seite auf deinen Stock stützen und
auf der andern auf mich. Dick sagt, daß ich gute Muskeln habe
für einen Jungen von sieben.«
    Er streckte den Arm stramm aus, damit der Graf die Kraft
seiner von Dick belobten Muskeln sehe, und sah dabei so ernsthaft und
wichtig drein, daß der Bediente wieder genötigt war,
seine volle Aufmerksamkeit

Weitere Kostenlose Bücher