Der kleine Lord
freuen, wenn sie dich sehen, und wie sie dich alle
kennen!«
»Nimm deine Mütze ab, Fauntleroy,«
sagte der Graf. »Das Grüßen gilt
dir.«
»Mir?« rief Cedrik, riß die
Mütze im Nu herunter und drehte sich mit leuchtenden,
verwunderten Augen nach allen Seiten, um doch gewiß jeden
Gruß zu erwidern.
»Gott segne Eure Herrlichkeit,« sagte die
alte Frau, die vorhin seine Mutter angeredet hatte. »Gott
schenke Ihnen langes Leben!«
Als Fauntleroy dann neben dem Großvater in dem
großen Kirchenstuhle mit den roten Kissen und
Vorhängen saß, entdeckte er sofort mehreres, was ihn
freute und »'tressierte«. Erstens, daß seine
Mutter ihm gerade gegenübersaß und ihm
zulächelte, und dann zwei ganz wunderliche in Stein gehauene
knieende Figuren, mit einer Tafel darüber, auf der er die
Worte entziffern konnte:
HIR.
RVHET. DER. LEYB. VON. GREGORIVS.
ARTHVR. ERSTEN. GRAFEN. DORINCOVRT:
VND.
AVCH. DER. VON:
ALISONE.
HILDEGARTIS. SEINER.
CHRISTLICHEN. EHEFRAVEN.
»Darf ich leis' was sagen?« fragte er den
Grafen, unfähig, seine Neugierde länger zu
beherrschen. »Was denn?« versetzte der
Großvater.
»Wer sind denn die dort?«
»Zwei von deinen Vorfahren, die vor mehreren hundert
Jahren gelebt haben.«
»Vielleicht,« dachte Cedrik, die ihm so
merkwürdigen Vorfahren mit Ehrfurcht betrachtend,
»hab' ich von denen meine Orthographie geerbt.«
Als die Musik begann, stand er auf und sah mit einem sonnigen
Lächeln zu seiner Mutter hinüber. Cedrik hatte
große Freude daran, und Herzlieb und er sangen oft und viel
miteinander, so stimmte er nun herzhaft mit ein und wie ein
Vogelstimmchen drang der klare, liebliche, helle Ton durch den Raum. Er
vergaß sich und seine Umgebung darüber und dem
Grafen, der, halb hinter seinem Vorhang verborgen, den Jungen
beobachtete, ging es schier ebenso. Das große Gesangbuch in
den kleinen Händen, das Gesichtchen mit strahlendem Ausdrucke
empor gerichtet, stand Cedrik da und sang so andächtig und so
laut er konnte, und durch eine der kleinen farbigen Scheiben stahl sich
ein Sonnenstrahl herein und spielte auf seinen goldnen Locken. Als
seine Mutter zu ihm hinüberblickte, zog es wie ein heiliger
Schauer durch ihr Herz, aus dem ein heißes Gebet zum Himmel
aufstieg, daß die sonnige Reinheit seines
Kinderglückes und Kinderherzens dauern möge, und
daß jenes neue, seltsame Schicksal, das ihm zu teil geworden,
ihm keinen Schaden thun möge an seiner Seele.
»O, Ceddie,« hatte sie gestern abend bei dem
langen, innigen Gutenachtkusse zu ihm gesagt: »O, Ceddie, wie
möcht' ich um deinetwillen klug und weise sein, um dir viel,
viel Wichtiges sagen zu können. Sei nur immer gut, mein
Herzenskind, gut und wahr und treu, dann wirst du keinem wehe thun und
dein Leben wird vielen zum Segen werden und die ganze, große,
weite Welt wird ein wenig besser, weil mein Kind gut ist. Denn
weißt du, Ceddie, das ist das Allerbeste und
Allerhöchste, daß es allen zu gute kommt, wenn ein
einzelner Mensch von Herzen gut ist.«
Fauntleroy hatte daheim dem Großvater diese Worte
wiederholt und hinzugesetzt: »Da hab' ich natürlich
an dich denken müssen und habe Herzlieb gesagt, daß
die Welt viel besser geworden sei durch dich und daß ich
suchen wolle, einmal gerade so zu werden wie du.«
»Und was hat sie darauf gesagt?« hatte der
Graf mit einigem Unbehagen gefragt.
»Das sei recht,« hat sie gesagt,
»und wir sollen immer an andern das Gute herausfinden und
streben, auch so zu werden.«
Vielleicht dachte der alte Mann an diese Worte,
während er zwischen den Falten des Vorhanges nach der
gegenüberliegenden Bank sah, und sein Blick flog oft
hinüber nach dem lieblichen Gesichte, das seinem Sohne so
teuer gewesen, und nach den braunen Augen, die so ganz und gar denen
des Kindes glichen – was für Gedanken ihn dabei
bewegten, konnte niemand erraten.
Als »die Herrschaft« aus der Kirche trat,
standen die Leute umher, um sie vorbeigehen zu sehen, und am
Kirchhofthore wartete ein Mann, den Hut in der Hand, auf sie, trat
einen Schritt vor und blieb wieder zögernd stehen.
»Nun, Higgins?« sagte der Graf.
»Ist das Mr. Higgins?« fragte Fauntleroy, zu
dem Manne mit dem sorgendurchfurchten Gesichte aufblickend.
»Ja,« antwortete Mylord trocken,
»vermutlich möchte er seinen neuen Gutsherrn in
Augenschein nehmen.«
»Ja, Mylord,« bestätigte der Mann.
»Mr. Newick hat mir gesagt, daß der junge
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