Der kleine Lord
nicht
ganz gräflich, aber sehr herzlich klang. Zuweilen hielt er
auch an und schwatzte mit den Kindern, und eines Tages kam Wilkins
ziemlich aufgeregt nach Hause, weil Lord Fauntleroy darauf bestanden
hatte, einen lahmen Knaben, der Schmerzen im Beine gehabt hatte, auf
seinem Pony von der Schule nach Hause reiten zu lassen.
»Hol' mich der Kuckuck,« lautete der Bericht
im Stalle, »wenn's ein andrer fertig gekriegt hätte,
ihn abzubringen. Mich läßt er nicht absteigen, weil
er behauptet, der Junge hätte Angst vor dem großen
Gaul, und, sagt er: ›ich hab' gesunde Beine und der
nicht.‹ Muß ich den Bengel hinaufsetzen, und
nebenher schlendert Mylord und schwatzt, die Hände in den
Taschen, als ob das ganz natürlich wär'. Und wie die
Mutter aus'm Haus rennt und sehen will, was los ist, zieht er die
Mütze und sagt: ›Ich habe Ihren Sohn heimgebracht
und ich werde Großvater bitten, daß er ihm
Krücken machen läßt, der Stock ist zu
schwach.‹ Herrgott, dem Weibe fuhr's in alle Glieder vor
Schreck – um ein Haar hätt' sie der Schlag
gerührt.«
Wilkins war nicht recht wohl bei der Sache, da ihm sehr
zweifelhaft war, wie der Graf sie aufnehmen werde. Dieser wurde jedoch
merkwürdigerweise nicht böse, ließ sich
sogar die Geschichte von Fauntleroy haarklein erzählen und
lachte dann ganz laut. Und wahrhaftig geschah's, daß nach ein
paar Tagen die Dorincourter Equipage vor dem armseligen
Häuschen hielt, Fauntleroy heraussprang und, ein Paar neuer,
starker und doch leichter Krücken wie ein Gewehr schulternd,
in die Behausung des lahmen Knaben hineinmarschierte, wo er sein
Geschenk mit den Worten: »Mein Großvater
läßt Sie freundlich
grüßen« überreichte.
»Ich habe Grüße von dir
bestellt,« sagte er, als er wieder bei dem Grafen im Wagen
saß. »Du hattest mir's zwar nicht aufgetragen, aber
es war doch recht?«
Der Graf lachte wieder, hatte aber nichts gegen dieses
Uebermaß an Höflichkeit einzuwenden. Die Freundschaft
zwischen Großvater und Enkel befestigte sich jeden Tag mehr,
und Fauntleroys unbedingtes Vertrauen in des Grafen Großmut,
Herzensgute und Edelsinn wuchs in gleichem Maße. Freilich
wurde ihm jeder Wunsch erfüllt, noch eh' er ihn ausgesprochen
hatte, und seine kleine Existenz dermaßen mit Freuden und
Genüssen überschüttet, daß er
manchmal beinahe hilflos davor stand und er möglicherweise,
trotz all seiner guten Anlagen, in Gefahr gekommen wäre, sich
verziehen zu lassen, wenn er nicht von jedem Besuche in Court Lodge ein
gutes, warmes Wort mit heimgebracht und das Mutterherz, »sein
bester Freund«, so treu über seine junge Seele Wache
gehalten hätte.
Eins war es, was dem Kinde unendlich viel zu denken gab, ohne
daß es sich darüber gegen Herzlieb ausgesprochen
hätte und ohne daß der Graf eine Ahnung davon hatte.
Bei seiner scharfen Beobachtungsgabe konnte dem Knaben nicht entgehen,
daß der Großvater und seine Mama nicht miteinander
verkehrten. Und doch ging jeden Tag eine Sendung von Blumen und
Früchten aus den Gewächshäusern von
Schloß Dorincourt nach Court Lodge, und zur Vollendung des
Heiligenscheins, den das kleine Herz um den Großvater wob,
hatte eine Aufmerksamkeit gedient, welche dieser kurz nach jenem ersten
Sonntag Mrs. Errol erwiesen hatte. Etwa acht Tage darauf war es,
daß Cedrik, als er sich anschickte, die Mama zu besuchen, an
der Thür statt des stattlichen Landauers mit dem stolzen
Gespanne einen eleganten leichten Brougham mit einem Schimmel vorfand.
»Das ist ein Geschenk, das du deiner Mutter
machst,« erklärte der Graf kurz. »Sie kann
nicht zu Fuße gehen und muß einen Wagen haben. Der
Kutscher gehört auch dazu. Das Ganze ist dein
Geschenk.«
Cedrik war so selig darüber, daß sie es
nicht übers Herz brachte, ihm die Freude zu verderben und die
Gabe zurückzuweisen. Sie mußte, nachdem er mit
»seinem« Geschenk bei ihr angelangt war, wie sie ging
und stand, einsteigen und mit ihm spazieren fahren, und unterwegs
erzählte er ihr zahllose kleine Geschichten, die alle des
Großvaters Güte zur Anschauung brachten. Manchmal
mußte sie ein wenig dabei lachen, dann zog sie aber das Kind
noch näher an sich und küßte den frischen
Mund, der so gut zu plaudern wußte, und freute sich,
daß sein Auge an dem alten Manne, der sich so wenig Freunde zu
machen verstanden, nur das Gute entdeckte.
Am Tage darauf schrieb Fauntleroy den versprochenen langen
Brief an Mr.
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