Der kleine Lord
er sehr gespannt; der Pony gehörte nicht zu den kleinen,
und er hatte des öftern Kinder den Mut verlieren sehen, wenn
es sich nun wirklich ums Aufsteigen handelte.
Fauntleroy war vor Entzücken ganz außer sich
und stieg seelenvergnügt auf – er hatte noch nie auf
einem Pferde gesessen und sein Glück war grenzenlos. Wilkins,
der Reitknecht, führte den Pony vor dem Bibliothekzimmer auf
und ab.
»Der Jungherr hat höllisch
Courage,« äußerte sich Wilkins
später im Stalle, »den rauf zu kriegen, hat keine
Mühe gekostet und sitzen that er kerzengrad', trotz einem
Alten. ›Wilkins,‹ sagt' er zu mir, ›sitz
ich gerad'? Im Cirkus sitzen sie sehr gerade.‹ ›Als
ob Sie einen Ladstock verschluckt hätten, Mylord,‹
sag' ich; da lacht' er ganz vergnügt und sagt:
›Wilkins, Sie müssen mir's sogleich sagen, wenn ich
nicht gerad' sitze, nicht wahr, Wilkins,‹ sagt er.«
Aber gerade sitzen auf einem Pony, der am Zügel
geführt wird, war noch nicht der Höhepunkt der
erträumten Glückseligkeit. Nach einigen Minuten
fragte Fauntleroy zum Fenster herein: »Darf ich nicht allein
reiten? Darf ich nicht schneller reiten? Der Junge aus der Fifth Avenue
konnte traben und galoppieren.«
»Meinst du, daß du traben und galoppieren
konntest?« erwiderte der Graf.
»Versuchen möcht' ich's gern,« rief
Fauntleroy bittend.
Mylord machte dem Groom ein Zeichen, worauf dieser auf sein
Pferd aufsaß und den Pony am Trensenzügel
führte.
»Nun,« befahl der Graf, »lassen Sie
ihn Trab gehen.«
Das war nun für den jungen Reitkünstler sehr
aufregend und nicht gerade behaglich, denn daß Traben etwas
anders wirkt als Schritt, erfuhr er gründlich.
»D–das w–wirft einen
tü–tüchtig – gelt?«
sagte er zu Wilkins.
»Stö–stößt es
S–Sie auch so?«
»Nein, Mylord,« erwiderte dieser.
»Das verliert sich mit der Zeit. Heben Sie sich nur in den
Bügeln.«
»I–ich h–hebe mich
d–die ga–ganze–Zeit,« keuchte
Fauntleroy.
Er flog auf und ab und hatte manch derben Stoß
auszuhalten, sein Gesicht war dunkelrot und er kam kaum mehr zu Atem,
aber er hielt stand und saß so gerade als möglich.
Ein paar Minuten lang waren die Reiter dem Blicke des Grafen durch die
Bäume entzogen, dann kamen sie wieder in Sicht, Cedrik ohne
Hut, mit blutroten Wangen und fest aufeinandergepreßten
Lippen, aber noch immer mannhaft trabend.
»Halt einen Augenblick!« rief der Graf.
»Wo ist dein Hut?«
Wilkins griff an den seinigen. »Fortgeflogen,
Mylord,« berichtete er mit sichtlicher Freude. »Der
junge Herr ließ mich nicht halten, Mylord.«
»Angst hat er nicht viel?« fragte der Graf
trocken.
»Der und Angst, Euer Herrlichkeit?« rief
Wilkins begeistert aus. »Glaube, daß er das Ding
nicht vom Hörensagen kennt. Hab' schon manchen jungen Herrn
reiten gelehrt, aber so couragiert ist noch keiner droben
gesessen.«
»Müde?« fragte der Graf Cedrik.
»Willst du absteigen?«
»Es schüttelt einen mehr, als ich mir
gedacht habe,« gab Seine kleine Herrlichkeit ehrlich zu.
»Und müde wird man auch ein wenig, aber absteigen
will ich nicht. Ich will's lernen, und wenn ich ein bißchen
ausgeschnauft habe, möchte ich meinen Hut holen.«
Der feinste Diplomat hätte Cedrik keine bessere
Anleitung geben können, des Großvaters Herz zu
erobern. Als der Pony abermals davon trabte, lag ein Ausdruck von
Freude in den lebhaften Augen des alten Herrn, den er sich selbst nicht
mehr zugetraut hatte, und er saß und wartete mit wahrer
Spannung, bis der Hufschlag wieder näher kam. Erst nach
längerer Zeit erschienen die Reiter wieder, diesmal in
rascherer Gangart. Wilkins hielt Cedriks Hut in der Hand, die Wangen
des Knaben glühten noch mehr als zuvor und seine Haare flogen
im Winde, aber es war ein richtiger, flotter Galopp, in dem er
dahersauste.
»Hier!« stieß er hervor.
»Ich – ich hab' galoppiert. So gut ging's noch
nicht, wie bei dem Jungen in der Fifth Avenue, aber im Sattel bin ich
doch!«
Von da ab war die Freundschaft mit Wilkins und dem Pony
geschlossen, kaum ein Tag verging, an dem man die beiden nicht
fröhlich auf der Landstraße und den grünen
Wiesen dahin traben sah, und aus allen den Bauernhäusern
liefen die Kinder herbei, um den stolzen, braunen Pony und seinen
ritterlichen kleinen Reiter zu sehen, der so kerzengerade im Sattel
saß, und der junge Lord schwang dann seine Mütze und
rief: »Hallo! Guten Morgen!« was vielleicht
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