Der kleine Lord
sehr zärtlich
gegen ihn und hatten alles mögliche zu fragen, und die Herren
trieben ihren Scherz mit ihm, gerade wie es auf der Reise von Amerika
an Bord des Dampfers gewesen war. Fauntleroy war sich zuweilen nicht
klar, weshalb seine Antworten so herzliches Lachen hervorriefen, aber
er hatte die Erfahrung ja schon öfter gemacht, daß
die Leute lachen mußten, wenn es ihm vollkommen Ernst war, und
so ließ er sich nicht drausbringen, sondern freute sich des
festlichen Abends von Herzen. Alles entzückte ihn, der
Lichterglanz in den prächtigen Gemächern, die
herrlichen Blumen, die jeden Raum schmückten, die
fröhlichen Menschen, besonders aber die Damen mit den
wunderbaren, glänzenden Toiletten und den schimmernden
Juwelen. Eine junge Dame war darunter – er hörte
sagen, daß sie eben von London komme, wo sie die Saison
mitgemacht – die war so bezaubernd, daß er kaum den
Blick von ihr wenden konnte. Sie war ziemlich groß, und auf
dem schlanken Halse saß ein stolzes, feines Köpfchen,
von dunklem, weichem Haar umrahmt, mit großen, tiefblauen
Augen und roten Lippen. Ihr ganzes Wesen hatte einen fremdartigen,
wunderbaren Reiz, und weil eine Menge von Herren sie huldigend
umringten und ängstlich bestrebt schienen, Eindruck auf sie zu
machen, nahm Cedrik entschieden an, daß sie eine Prinzessin
sein müsse. In seinem Bilderbuche hatte die Prinzessin ja auch
ein weißes Atlaskleid und eine Perlenschnur um den Hals. Sein
Interesse war so groß, daß er sich ihr halb
unbewußt immer mehr näherte, bis sie sich endlich
rasch zu ihm wandte.
»Komm doch her, Lord Fauntleroy,« sagte sie
lächelnd, »und sage mir, weshalb du mich so
ansiehst?«
»Weil du so schön bist,« erwiderte
Seine Herrlichkeit unerschrocken.
Die umstehenden Herren brachen in ein schallendes
Gelächter aus, und auch die junge Dame lachte ein wenig und
errötete kaum merklich.
»Ach, Fauntleroy,« sagte einer der jungen
Herren, »nutze nur deine Zeit gut! Wenn du älter
bist, hast du nicht mehr den Mut, so was zu sagen.«
»Aber das muß doch jedermann
sagen,« erwiderte Fauntleroy mit seinem hellen Stimmchen.
»Finden Sie denn nicht, daß sie schön
ist?«
»Wir dürfen aber nicht sagen, was wir
denken,« versetzte der Gefragte unter erneuter Heiterkeit, so
daß das schone Mädchen, Miß Vivian Herbert,
den etwas verdutzt dreinblickenden Cedrik schützend zu sich
heranzog, wobei sie womöglich noch hübscher aussah
als zuvor.
»Lord Fauntleroy darf sagen, was er denkt, und ich
freue mich darüber – jedenfalls ist es sein voller
Ernst,« erklärte sie und küßte ihn
auf die Wange.
»Ich glaube, daß du schöner bist
als alle Menschen, die ich je gesehen habe,« sagte Cedrik, sie
voll tiefer Bewunderung ansehend, »das heißt,
außer Herzlieb. Natürlich kann ich niemand ganz so
schön finden, wie Herzlieb.«
»Da hast du sicher recht,« stimmte
Miß Vivian Herbert lachend bei.
Sie ließ ihn den ganzen Abend nicht mehr von ihrer
Seite, und der Kreis, dessen Mittelpunkt die beiden waren, that sich
durch besondre Heiterkeit hervor. Cedrik konnte sich nachher nicht mehr
genau darauf besinnen, wie es gekommen war, allein plötzlich
war er mitten drin, den Fackelzug bei der Präsidentenwahl zu
schildern und von seinen Freunden Mr. Hobbs und Dick und Bridget zu
erzählen, und schließlich zeigte er mit
großem Stolz Dicks Abschiedsgeschenk – das
rotseidene Taschentuch.
»Ich habe es heute zu mir gesteckt,«
erklärte er wichtig, »weil Gesellschaft ist und ich
denke, es würde Dick freuen, wenn ich's in Gesellschaft
trage.«
Mit so großem Ernst und so inniger
Zärtlichkeit sah er auf das für Dicks Geschmack nicht
gerade empfehlende feuerfarbene Ding mit den Hufeisen, daß
seine Zuhörer ihr Lächeln unterdrückten.
Aber trotzdem Cedrik so viel Beachtung zu teil wurde, machte
er sich, wie der alte Herr vorher gesagt hatte, nie unangenehm
bemerklich. Er konnte schweigen und ruhig zuhören, wenn andre
sprachen, und so ward seine Gegenwart keinem Menschen lästig.
Wenn er dann von Zeit zu Zeit neben seinem Großvater stand
oder saß und ihm mit dem Ausdruck hingebendster Bewunderung
zuhörte, glitt ein leises Lächeln über mehr
als ein Gesicht. Einmal hatte er sich so nahe an seinen Stuhl
gedrängt, daß seine Wange des Grafen Schulter
berührte, und dieser lächelte selbst, als er die
allgemeine Aufmerksamkeit auf den kleinen Vorgang gerichtet sah.
Wußte er
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