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Der kleine Lord

Titel: Der kleine Lord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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doch zu genau, was die Zuschauer dabei dachten, und
er fand entschieden eine geheime Befriedigung darin, daß die
Leute sahen, welch' gute Kameraden er und der Junge, der das
landläufige Urteil über seinen Großvater so
gar nicht teilte, geworden waren.
    Mr. Havisham war am Nachmittag schon erwartet worden, schien
sich aber auffallenderweise verspätet zu haben, was ihm in den
vielen, vielen Jahren, die er in Schloß Dorincourt verkehrte,
noch nicht ein einziges Mal begegnet war. Er kam erst, als man eben im
Begriffe stand, zu Tische zu gehen. Als er den Hausherrn
begrüßte, sah ihn dieser mit einigem Staunen an, denn
der gemessene, ruhige Mann war sichtlich erregt und das
scharfgeschnittene alte Gesicht war blaß.
    »Ich bin durch ein unvorhergesehenes Ereignis
aufgehalten worden,« erklärte er dem Grafen seine
Verspätung in leisem Tone.
    Aufgeregt zu sein, lag so wenig in der Art des methodischen
alten Geschäftsmannes, wie Zuspätkommen, und doch
machte er sich heute dieser beiden Dinge schuldig.
    Bei Tische aß er kaum einen Bissen, und mehrmals,
wenn er von seiner Nachbarin angeredet wurde, schien er aus tiefem
Nachsinnen aufzufahren. Als Fauntleroy beim Nachtische hereinkam,
blickte er ihn ein paarmal mit einer gewissen Scheu und offenbar
peinlich erregt an, was Cedrik wunderte, denn er und Mr. Havisham
standen sonst auf sehr gutem Fuße und pflegten sich mit
freundlichem Lächeln zu begrüßen, aber an
diesem Abend schien der Advokat kein Lächeln fertig bringen zu
können.
    Er war überhaupt nicht einen Augenblick im stande,
den Gedanken an die peinvollen Mitteilungen, die er heute nacht noch
dem Grafen zu machen gezwungen war, in den Hintergrund treten zu
lassen, wußte er doch zu genau, welchen Stoß die
befremdliche Nachricht, deren Ueberbringer er war, dem Herrn des Hauses
versetzen und wie furchtbar dieselbe die gesamte Lage der Dinge
verwandeln werde. Wenn er die festlich geschmückten herrlichen
Räume und die glänzende Gesellschaft
überflog, von welcher er besser als irgend jemand
wußte, daß sie nur versammelt worden war, um den
kleinen Blondkopf sich an seines Großvaters Knie schmiegen zu
sehen – wenn er den alten Mann ansah, mit dem Ausdruck
befriedigten Stolzes auf den harten Zügen, und den kleinen
Lord Fauntleroy mit dem sonnigen Kinderlächeln, da
fühlte er sich tiefer erschüttert, als es sich
für solch einen eingetrockneten alten Juristen geziemte.
    Auf welche Weise das feierliche, üppige Diner zu Ende
ging, hätte er nicht angeben können; er war wie in
langem Traume befangen und fühlte nur mehr als einmal den
Blick des Grafen fragend auf sich ruhen.
    Schließlich erhoben sich die Herren, um sich zu den
schon nach dem Salon vorangegangenen Damen zu begeben, wo sie Lord
Fauntleroy neben Miß Vivian Herbert, der gefeiertsten
Schönheit der diesjährigen Londoner Saison, sitzend
fanden.
    »Du bist so gut gegen mich, ich danke dir
schön,« hörte man die helle Kinderstimme
sagen. »Ich bin noch nie bei einer Gesellschaft gewesen, und
ich habe mich so furchtbar gut unterhalten.«
    Er hatte sich so »furchtbar gut«
unterhalten, daß, als die jungen Herren sich nun abermals um
Miß Herbert scharten und fröhlich geplaudert wurde,
ihm allmählich, trotz seines angestrengten Bestrebens, die hin
und her fliegenden Witzworte zu verstehen, die Aeuglein zufielen. Zwei-
oder dreimal schon waren die Augenlider müde herabgesunken,
aber immer hatte Miß Herberts leises sympathisches Lachen ihn
veranlaßt, wieder aufzublicken und sie anzusehen. Er war auch
ganz entschlossen, um keinen Preis einzuschlafen, aber weil
zufällig ein großes gelbes Atlaskissen hinter ihm
lag, senkte sich das Köpfchen immer tiefer auf dasselbe, und
schließlich fielen die braunen, glückstrahlenden
Augen fest zu. Er konnte sie auch nur ein ganz klein wenig aufmachen,
als, wie es ihm vorkam, nach langer, langer Zeit ein leichter
Kuß seine Wange streifte.
    »Gute Nacht, kleiner Lord Fauntleroy,«
flüsterte Miß Vivians süße Stimme
an seinem Ohr. »Schlaf wohl.«
    Am andern Morgen wußte er nicht mehr, daß er
mühsam die Augen halb geöffnet und schlaftrunken
gemurmelt hatte: »Gute Nacht – ich bin so froh,
daß ich dich gesehen habe – du – du bist
– – so schön –,« nur
ganz dunkel schwebte es ihm vor, daß er die Herren noch einmal
hatte lachen hören, ohne zu wissen weshalb.
    Kaum hatte der letzte Gast sich empfohlen, als Mr.

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