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Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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hervorragender Organisator und, wie man in seinen Kreisen
einen so erfahrenen Mann zu bezeichnen pflegt, ein alter Filmhase. Ihm konnte
niemand etwas vormachen, kein Kameramann, kein Tonmeister, kein Regieassistent,
kein Aufnahmeleiter und kein Beleuchter. Er hatte die Terminpläne für die
Fernsehserie und den Film vom kleinen Mann im Kopf, als seien sie
hineinfotografiert worden. Jeden Tag wurde das von ihm vorgesehene Pensum
bewältigt. Es gab keine Panne. Es galt keine Ausrede.
    Nachts
sah und hörte er sich, mit den wichtigsten Mitarbeitern, im Vorführraum die
›Muster‹ an. So nennt man die in der Kopieranstalt entwickelten Aufnahmen.
Neben ihm saß der Schnittmeister, und er gab ihm Anweisungen, wo und wie man
die Szenen schneiden und als Teile ins künftige Ganze einbauen solle.
    Ihm
selber machte diese Plackerei von früh bis spät und ohne Pause nichts weiter
aus. Die Mitarbeiter hingen freilich abends in den Gräten. Doch sie rissen sich
zusammen. Er war der Chef.
    Er
war der Boss. »Der Mann ist eine Wucht«, sagten sie voller Bewunderung. Er war
die Lokomotive und zog alle mit sich fort.
     
    Der
Jokus und er verstanden sich prächtig. Sie duzten sich vom ersten Drehtag an
und nannten einander beim Vornamen. Der Professor sagte allerdings nur selten
»John« zu dem langen Amerikaner. Manchmal nannte er ihn »Johannes« und noch
häufiger
    »Hänschenklein«.
    Mäxchen,
aber auch alle anderen Zirkusleute machten ihre Sache sehr gut. Nur mit dem
Kunstreiter gab es Ärger, weil er weder den Zauberfrack anziehen noch vor den
Kameras vom Pferd fallen wollte.
    »Das
verstößt gegen meine Berufsehre«, erklärte Maestro Galoppinski stolz. »Den Film
wird die ganze Welt sehen, und Nero und ich wären für alle Zeiten erledigt.«
Nero war sein schwarzer Hengst.
    Auch
als ihm Drinkwater ein Extrahonorar und dem Pferd einen Doppelzentner
Würfelzucker anbot, blieben beide hart und unerbittlich. Es war aussichtslos.
Drinkwater wollte schon dem Cowboydarsteller Tom Middleton telegrafieren, ob
dieser und sein Schimmel Whitehorse Zeit hätten, als sich der Jokus ins
Gespräch mischte.
    »Ehrgefühl
verdient Respekt«, meinte er. »Aber ich kenne Tom Middleton samt seinem
Schimmel. Beide sind ausgezeichnete Könner. Nur, lieber Kollege Galoppinski,
zur Weltklasse wie Sie und Ihr Nero gehören Tom und Whitehorse keineswegs. Tom
ist nicht elegant genug. Er wird vom Pferd fallen wie ein verstimmtes Klavier,
und sein Schimmel wird vor Nervosität nicht in die Stallgasse, sondern in die
Logen preschen.«
    »Ich
fürchte, dass Sie Recht haben, lieber Professor«, sagte der Kunstreiter. »Doch
es lässt sich nicht ändern. Nero und ich haben uns ein einziges Mal im Leben
blamiert. Damals in Berlin, als ich, ohne es zu ahnen, Ihren verrückten Frack
angezogen hatte. Wir leiden noch heute darunter. Und diese Blamage sollen Nero
und ich, für Film und Fernsehen, absichtlich wiederholen? Damit man uns von
Washington bis Moskau und von Buenos Aires bis Hongkong auslacht? Nein, meine
Herren. So viel Würfelzucker gibt es ja gar nicht.«
     
    Der
Jokus und Drinkwater ließen die Köpfe hängen. Plötzlich rief Mäxchen: »Ich weiß
was!« Sie zuckten zusammen, weil sie vor lauter Sorgen vergessen hatten, dass
er in der Brusttasche des Professors hockte und zuhörte.
    »Ich
weiß was«, wiederholte Mäxchen und rieb sich die Hände.
    »In
jedem Kino werden doch Programmhefte verkauft. Dort könnte man drucken, wie
schwer es Herrn Galoppinski gefallen ist, von Nero herunterzupurzeln. Weil doch
beide zur Weltklasse gehören und so etwas eigentlich gar nicht mehr können.
Deshalb hätten sie das Herunterfallen monatelang üben müssen. Wie Clowns.«
    »Ich
lasse mich nicht gerne auslachen«, gestand Galoppinski.
    Er
war ein bisschen verlegen.

    »Seit
wann werden Clowns ausgelacht?«, fragte Mister Drinkwater erstaunt. »Der letzte
Dummkopf im Zirkus weiß, dass sie nicht ungeschickt sind, sondern nur so tun.
Man lacht sie nicht aus. Man lacht an ihrer Stelle, weil sie selber ernst
bleiben.«
    Maestro
Galoppinski war ein Reiter und kein Denker, und ohne sein Pferd war er sowieso
nur eine halbe Portion. Deshalb stand er plötzlich auf, schnarrte: »Ich bitte
um Bedenkzeit« und marschierte zur Tür.
    »Wo
wollen Sie denn hin?«, fragte Mister Drinkwater.
    »In
den Stall.« Fort war er.
    »Was
will er denn im Stall?«
    »Das
Pferd will er fragen«, meinte Mäxchen. »Ohne Nero tut er nichts.«
    »Erzähle
mir bloß nicht, dass der Gaul

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