Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
Indios mit einer Bananenstaude ins Bild. Sie stapeln das
Obst und Gemüse neben Miguels Wagen, damit Richardson, der Kameramann, im
zweiten Wagen nicht entdeckt wird. Der eine Indio ist der Bauer Gonzales, und
der andere Indio heißt im bürgerlichen Leben Steinbeiß.«

    Mister
Drinkwater lachte. »Nicht zum Wiedererkennen!« Auch die anderen im Vorführraum
freuten sich über die Verkleidungskünste des Kriminalkommissars.
    Nur
Mäxchen war nicht wohl zumute. »Ein Glück, dass Bernhard Sie nicht gesehen
hat«, sagte er mit zittriger Stimme. »Denn Bernhard hätte Sie vielleicht
erkannt.«
    »Du
bist fast so schlau wie Bernhard«, meinte Steinbeiß. »Als ich, eine Woche
später, zum dritten Male, beim Abladen half, kam dieser verdammte Schlauberger
dazu. Er hatte einen Zahnstocher zwischen den Zähnen und stand gelangweilt
neben uns.
    Plötzlich
stutzte er und griff mir, ehe ich’s mir versah, ins Gesicht. An seinen Fingern
klebte braune Schminke. Und nun ging alles sehr rasch. Denn jetzt griff ich ihm
ins Gesicht. Er verdrehte die Augen und kippte um. Gonzales ließ die
Bananenstaude los.
    Sie
fiel auf Bernhards Bauch. MacKintosh und Miguel sprangen auf den ersten,
Gonzales und ich auf den zweiten Lastwagen, und ehe die Wachtposten wussten,
worum sich’s drehte, ratterten wir durchs Tor. Es gab eine kleine Schießerei.
Verletzte gab es nicht.«
    »Entweder
waren es keine Scharfschützen«, sagte der Jokus,
    »oder
sie haben in die Luft geschossen.«
    »Sie
haben in die Luft geschossen. Jedenfalls haben sie das nach ihrer Verhaftung
erklärt.«
    »Sie
wurden verhaftet?«, fragte Rosa Marzipan.
    »Und
Señor Lopez?«, rief Mäxchen.
    »Das
ist ein anderes Kapitel«, sagte der Kriminalkommissar, und seine Stimme klang
sehr traurig. Dann drückte er auf einen Schaltknopf und der Film lief weiter.
»Der andere Kameramann saß ja noch immer in seinem Nadelbaum. Die Aufnahmen,
die Sie sehen werden, machte er zwei Stunden nach unserer Flucht aus dem
Burghof. Geben Sie gut Obacht. Sie sehen meine Niederlage.«
    Die
anderen starrten gebannt auf die Leinwand. Man erblickte den menschenleeren
Burghof. Ach nein, ganz leer war er nicht.
    Am
Rosenbeet stand ein rundlicher, eleganter Herr. Er trug einen Anzug aus
Rohseide, hatte einen Strohhut auf dem Kopf und schnitt behutsam eine
dunkelrote Rose ab. Dann drehte er sich um, schnupperte an der Rose und schien
auf etwas zu warten.
    »Der
Mann hat Nerven«, murmelte Mister Drinkwater.
    Plötzlich
verschoben sich im Hofe die Betonplatten. Eine Versenkung wurde sichtbar. Und
aus der Versenkung stieg, Meter um Meter, ein Flugzeug empor. Die Betonplatte,
auf der es stand, fügte sich in die übrigen Platten ein. Señor Lopez ging mit
wiegenden Schritten auf das Flugzeug zu. Die Bordtür wurde geöffnet.

    Eine
Leiter senkte sich herab. Señor Lopez kletterte an Bord. Die Leiter wurde
eingezogen. Die Tür schloss sich. Kurz danach hob sich das Flugzeug in die Luft
und verschwand am Horizont. Der Himmel war so leer wie der Burghof.
    »Ein
Senkrechtstarter«, stellte Mäxchen fest.
    »Ganz
recht«, knurrte Herr Steinbeiß. »Die Maschinen sind aber noch nicht zur
Serienfabrikation freigegeben.«
    »Wozu
braucht der reichste Mann der Welt auf Serien zu warten?«, fragte Mister
Drinkwater. »Ein Versuchspilot verfliegt sich.
    Nun?
Die Maschine ist verschwunden. Der Pilot ist verschwunden. Nun? Vielleicht
liegen sie irgendwo im Gletschereis. Vielleicht wurden sie aber auch bestochen
und landen wohlbehalten in den Kasematten einer Burg.«
    »So
muss es gewesen sein«, sagte der Kriminalkommissar.
    »Jedenfalls
verschwanden mit Señor Lopez und dem Flugzeug der Koch, die Zigeunerin, die Ballettratten,
unsere Freunde Bernhard und Otto, der Hauptmann der Scharfschützen, ein
Kunsthistoriker und einhundertvierundsiebzig gerahmte Gemälde. Wir 119
    konnten
nur noch die Nägel zählen, an denen die Bilder gehangen hatten.«
    »Weiß
man, wohin die Maschine geflogen ist?«
    »Man
weiß es nicht. Nach Paraguay? Nach Bolivien? Nach Peru? Lopez besitzt Minen und
Gruben, Haziendas, Fischereiflotten, Konservenfabriken, Kettenhotels und
Kreditinstitute. Krösus war, mit ihm verglichen, ein armes Luder. Er ist verschwunden.
In einem anderen Kastell? In einem anderen Erdteil? Er hat mich überlistet.«
    »Wait
and see«, sagte Mister Drinkwater. »Abwarten und Tee trinken. Ich werde Ihre
Aufnahmen in allen Kinos als Vorfilm laufen lassen. Mit den nötigen Erklärungen
und mit dem Hinweis auf den

Weitere Kostenlose Bücher