Der Klient
Fink. Mit Routinefragen werden Stunden um Stunden wertvoller Zeit vergeudet. Ich möchte keine weitere Routinefrage hören. Bitte.«
»Ja, Euer Ehren, ich werde es versuchen.«
»Ich weiß, daß Ihnen das schwerfällt.«
Fink sah Hardy an und versuchte verzweifelt, sich eine brillante und originelle Frage einfallen zu lassen. »Wurden Sie, Sergeant Hardy, letzten Montag zum Schauplatz einer Schießerei beordert?«
Harry hob wieder die Hand, und Fink sackte auf seinem Stuhl zusammen. »Mr. Fink, ich weiß ja nicht, wie Sie in New Orleans vorgehen, aber hier in Memphis lassen wir unsere Zeugen schwören, daß sie die Wahrheit sagen werden. Das wird ›Unter Eid stellen‹ genannt. Kommt Ihnen das bekannt vor?«
Fink rieb sich die Schläfen und sagte: »Ja, Sir. Könnte der Zeuge bitte vereidigt werden?«
Die ältliche Frau an dem kleinen Tisch erwachte plötzlich zum Leben. Sie sprang auf und schrie Hardy an, der kaum vier Meter von ihr entfernt war. »Heben Sie die rechte Hand!«
Hardy tat es und wurde eingeschworen, die Wahrheit zu sagen. Dann kehrte sie zu ihrem Sitz zurück.
»So, Mr. Fink, jetzt können Sie weitermachen«, sagte Harry mit einem bösen kleinen Lächeln, sehr befriedigt darüber, daß er Fink mit heruntergelassener Hose ertappt hatte. Er entspannte sich auf seinem massigen Stuhl und lauschte aufmerksam der nun folgenden Routine aus Fragen und Antworten.
Hardy war überaus redselig, hilfsbereit, lieferte zahllose kleine Details. Er beschrieb den Schauplatz des Selbstmordes, die Lage der Leiche, den Zustand des Wagens. Es gab Fotos, falls Seine Ehren sie zu sehen wünschte. Seine Ehren lehnte ab. Sie waren völlig irrelevant. Hardy legte einen Ausdruck von Marks Anruf unter der Nummer 911 vor und erbot sich, die Tonbandaufzeichnung abzuspielen, falls Seine Ehren sie hören wollte. Nein, sagte Seine Ehren.
Dann berichtete Hardy höchst erfreut darüber, wie er den kleinen Mark im Wald nahe dem Tatort ertappt hatte, und über ihre anschließende Unterhaltung in seinem Wagen, im Wohnwagen der Sways, unterwegs zum Krankenhaus und beim Essen in der Cafeteria. Er beschrieb sein Empfinden, daß der kleine Mark nicht die volle Wahrheit sagte. Die Geschichte des Jungen war fadenscheinig, und bei geschickter Befragung mit genau dem richtigen Maß an Subtilität war er, Hardy, imstande gewesen, alle möglichen Löcher darin aufzudecken.
Marks Lügen waren erbärmlich. Der Junge sagte, er und sein Bruder wären zufällig auf den Wagen und den Toten gestoßen; sie hätten keine Schüsse gehört; sie wären nur zwei Jungen, die im Wald gespielt hatten, ganz mit sich selbst beschäftigt, und dann hätten sie irgendwie diese Leiche gefunden. Natürlich stimmte nichts an Marks Geschichte, und Hardy hatte das sofort erkannt.
Sehr detailliert beschrieb Hardy den Zustand von Marks Gesicht, das zugeschwollene Auge und die dicke Lippe, das Blut am Mund. Der Junge behauptete, das stammte von einer Prügelei in der Schule. Auch so eine erbärmliche kleine Lüge.
Nach einer halben Stunde wurde Harry unruhig, und Fink erkannte die Anzeichen. Reggie verzichtete auf ein Kreuzverhör, und als Hardy den Zeugenstand und den Raum verließ, gab es keinen Zweifel mehr daran, daß Mark ein Lügner war, der versucht hatte, die Polizisten zu täuschen.
Es sollte noch schlimmer kommen.
Als Seine Ehren Reggie gefragt hatte, ob sie irgendwelche Fragen an Sergeant Hardy hätte, sagte sie nur: »Ich hatte nicht die Zeit, mich auf diesen Zeugen vorzubereiten.«
Als nächster Zeuge wurde McThune aufgerufen. Er schwor, die Wahrheit zu sagen, und ließ sich auf dem Zeugenstuhl nieder. Reggie griff langsam in ihren Aktenkoffer und holte eine Tonbandkassette heraus. Sie behielt sie beiläufig in der Hand, und als McThune zu ihr herübersah, tippte sie damit leicht auf ihren Notizblock. Er machte die Augen zu.
Sie legte die Kassette auf ihren Block und begann ihren Umriß mit dem Kugelschreiber nachzuziehen.
Fink kam schnell zur Sache; inzwischen war er ziemlich geschickt darin, sämtliche Fragen zu vermeiden, die auch nur vage nach Routine aussahen. Es war eine neue Erfahrung für ihn, dieser effiziente Gebrauch von Worten, und je länger er es tat, desto besser gefiel es ihm.
McThune war so trocken wie Maismehl. Er verwies auf die Fingerabdrücke, die sie überall im Wagen gefunden hatten, auf der Waffe und auf der Flasche sowie auf der hinteren Stoßstange. Er äußerte seine Vermutungen über die Jungen und den Wasserschlauch
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