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Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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ihm ein Foto der Familie Sway vor die Nase gehalten. Sie hatte fassungslos zugehört, wie dieser kleine, zitternde Junge das Messer beschrieb. Es war schon bestürzend, nur davon zu hören, aber jemand anderem war es passiert. Sie selber war nicht direkt betroffen, auf sie war die Klinge schließlich nicht gerichtet gewesen.
    Aber das war am Mittwoch gewesen, und jetzt war Freitag, und die gleichen Gangster hatten jetzt auch sie bedroht. Die Lage war wesentlich gefährlicher geworden. Ihr kleiner Klient war sicher aufgehoben in einem hübschen Gefängnis mit Wachmännern in Rufweite, und sie saß allein hier in der Dunkelheit und dachte über Bono und Pirini nach und alle, die sonst vielleicht noch da draußen lauerten.
    Obwohl von Momma Loves Haus aus nicht zu sehen, parkte ein ziviles Polizeifahrzeug nicht weit entfernt auf der Straße. Zwei FBI-Agenten hielten Wache, nur für alle Fälle. Reggie hatte sich damit einverstanden erklärt.
    Sie stellte sich ein Hotelzimmer vor, mit Wolken von Zigarettenrauch unter der Decke, leeren Bierflaschen auf dem Fußboden, zugezogenen Vorhängen und einer Rotte von schlechtgekleideten Gangstern, die sich um einen kleinen Tisch drängten und einem Tonbandgerät lauschten. Aus dem Gerät kam ihre Stimme, mit Mandanten sprechend, mit Dr. Levin, mit Momma Love, einfach darauf losredend, als wäre alles in bester Ordnung. Die Gangster würden die meiste Zeit gelangweilt sein, aber hin und wieder würde einer von ihnen kichern und grunzen.
    Mark hatte die Telefone in ihrem Büro nicht benutzt, und die Idee, sie anzuzapfen, war lächerlich. Diese Leute glaubten offensichtlich, daß Mark über Boyette Bescheid wußte und daß er und seine Anwältin blöd genug waren, dieses Wissen am Telefon zu erörtern.
    Das Telefon in der Küche läutete, und Reggie sprang auf. Sie sah auf die Uhr – zwanzig nach sechs. Es mußte noch mehr Probleme bedeuten, denn um diese Zeit rief niemand an. Sie eilte nach drinnen und nahm nach dem vierten Läuten ab. »Hallo?« Es war Harry Roosevelt. »Guten Morgen, Reggie. Entschuldigen Sie, daß ich Sie geweckt habe.«
    »Ich war wach.«
    »Haben Sie die Zeitung gesehen?«
    Sie schluckte hart. »Nein. Was ist damit?«
    »Eine Titelseite mit zwei großen Fotos von Mark, einem, wie er das Krankenhaus verläßt, verhaftet, wie es dort heißt, und das andere beim Verlassen des Gerichtsgebäudes, flankiert von Polizisten. Slick Moeller hat die Story geschrieben. Er weiß alles über die Anhörung. Die Fakten stimmen ausnahmsweise. Er sagt, Mark hätte sich geweigert, meine Fragen hinsichtlich seiner Kenntnisse über Boyette zu beantworten, und ich hätte deshalb auf Mißachtung erkannt und ihn ins Gefängnis zurückgeschickt. Das Ganze klingt, als wäre ich Hitler.«
    »Aber woher weiß er das?«
    »Er beruft sich auf ungenannte Informanten.«
    Sie ging in Gedanken die Leute durch, die bei der Anhörung zugegen gewesen waren. »Fink?«
    »Ich glaube nicht. Fink hätte nichts zu gewinnen gehabt, wenn er das hätte durchsickern lassen, und die Risiken sind zu groß. Es muß jemand gewesen sein, der nicht sonderlich intelligent ist.«
    »Deshalb bin ich ja auf Fink gekommen.«
    »Gute Schlußfolgerung, aber ich bezweifle, daß es ein Anwalt war. Ich habe vor, Mr. Moeller eine Vorladung zustellen zu las sen, die ihn zwingt, heute mittag in meinem Gericht zu erscheinen. Ich werde ihn auffordern, seinen Informanten zu nennen, sonst stecke ich ihn wegen Mißachtung ins Gefängnis.«
    »Wunderbare Idee.«
    »Das sollte nicht lange dauern. Wir halten Marks kleine Anhörung gleich danach ab. Okay?«
    »Natürlich, Harry. Da ist noch etwas, das Sie wissen sollten. Es war eine lange Nacht.«
    »Ich höre«, sagte er. Reggie gab ihm einen knappen Bericht über das Anzapfen ihrer Telefone, mit besonderem Nachdruck auf Bono und Pirini und die Tatsache, daß sie bisher noch nicht gefunden worden waren.
    »Großer Gott«, sagte er. »Diese Leute sind wahnsinnig.«
    »Und gefährlich.«
    »Haben Sie Angst?«
    »Natürlich habe ich Angst. Sie sind in mein Büro eingedrungen, Harry, und der Gedanke, daß sie mich ständig beobachtet haben, ist bestürzend.«
    Es folgte eine lange Pause am anderen Ende. »Reggie, ich werde Mark unter gar keinen Umständen freilassen, jedenfalls nicht heute. Warten wir ab, was übers Wochenende passiert. Er ist viel sicherer dort, wo er jetzt ist.«
    »Da stimme ich Ihnen zu.«
    »Haben Sie mit seiner Mutter gesprochen?«
    »Gestern. Sie hat auf die

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