Der Klient
Prozeß waren die Folge gewesen, und obwohl Doreen keinen Dienst gehabt hatte, als es passierte, hatte es sie trotzdem sehr mitgenommen. Es hatte eine Untersuchung gegeben. Zwei Leute mußten den Dienst quittieren. Und eine Unmenge neuer Bestimmungen waren erlassen worden.
Doreens Schicht war um fünf zu Ende, und das letzte, was sie tat, war, nach Mark zu sehen. Den ganzen Nachmittag hatte sie stündlich zu ihm hereingeschaut und mit wachsender Besorgnis zugesehen, wie sein Zustand sich verschlechterte. Er zog sich vor ihren Augen in sich zurück, sprach bei jedem Besuch weniger, lag nur auf dem Bett und starrte die Decke an. Um fünf brachte sie einen Amtsarzt mit, der Mark kurz untersuchte und feststellte, daß er gesund und lebendig war. Alle vitalen Funktionen waren völlig in Ordnung. Als sie ging, rieb sie ihm die Schläfen wie eine liebe Großmutter und versprach ihm, daß sie morgen, Freitag, ganz früh froh und munter wiederkommen würde. Und sie ließ ihm noch eine Pizza bringen.
Mark sagte, er glaube, daß er wohl solange durchhalten könnte. Er würde versuchen, die Nacht zu überleben. Offensichtlich hatte sie Anweisungen hinterlassen, denn die Frau, die Doreen abgelöst hatte, eine dickliche kleine Person namens Thekla, klopfte sofort bei ihm an und stellte sich vor. In den nächsten vier Stunden klopfte Thekla regelmäßig an, kam in seine Zelle und schaute ihm nervös in die Augen, als wäre er verrückt und könnte jeden Moment durchdrehen.
Mark sah fern, kein Kabel, bis um zehn die Nachrichten begannen, dann putzte er sich die Zähne und schaltete das Licht aus. Das Bett war recht bequem, und er dachte an seine Mutter, die versuchte, auf diesem klapprigen Faltbett zu schlafen, das die Schwestern in Rickys Zimmer aufgestellt hatten.
Die Pizza war von Domino’s, keine ledrige Scheibe Käse, die jemand in die Mikrowelle geworfen hatte, sondern eine richtige Pizza, die Doreen wahrscheinlich aus eigener Tasche bezahlt hatte. Das Bett war warm, die Pizza war echt, und die Tür war verschlossen. Er fühlte sich sicher, nicht nur vor den anderen Insassen und den Banden und der Gewalttätigkeit, die es bestimmt in diesem Gebäude gab, sondern auch vor dem Mann mit dem Schnappmesser, der seinen Namen kannte und das Foto hatte. Dem Mann, der den Wohnwagen niedergebrannt hatte. An diesen Mann hatte er jede einzelne Minute denken müssen, seit er gestern morgen aus dem Fahrstuhl geflüchtet war. Er hatte letzte Nacht auf Momma Loves Veranda an ihn gedacht und am Mittag im Gerichtssaal, während er Hardy und McThune zuhörte. Er machte sich Sorgen, daß er womöglich im Krankenhaus lauerte, wo Dianne nichts Böses ahnte.
Um Mitternacht in einem parkenden Wagen auf der Third Street in der Innenstadt von Memphis zu sitzen, war nicht das, was Cal Sisson für einen Spaß hielt, aber die Türen waren verriegelt, und unter seinem Sitz lag eine Waffe. In Anbetracht seiner früheren Verurteilungen war es ihm verboten, eine Waffe zu besitzen oder bei sich zu tragen, aber dies war der Wagen von Jack Nance. Er parkte hinter einem Lieferwagen in der Nähe der Madison, ein paar Blocks Vom Sterick Building entfernt. An dem Wagen war nichts Verdächtiges. Es war nur sehr wenig Verkehr auf der Straße.
Zwei uniformierte Polizisten zu Fuß kamen den Gehsteig entlang und blieben kaum einen Meter von Cal entfernt stehen, um ihn zu mustern. Er warf einen Blick in den Spiegel und sah zwei weitere Cops. Vier Bullen! Einer von ihnen setzte sich auf den Kofferraum, und der Wagen schaukelte. War etwa die Parkuhr abgelaufen? Nein, er hatte für eine Stunde bezahlt und war erst seit knapp zehn Minuten hier. Nance hatte gesagt, es wäre eine Sache von einer halben Stunde.
Zwei weitere Polizisten gesellten sich zu denen auf dem Gehsteig, und Cal begann zu schwitzen. Die Waffe machte ihm Sorgen, aber ein guter Anwalt konnte seinen Bewährungshelfer überzeugen, daß die Pistole nicht ihm gehörte. Er fungierte nur als Fahrer für Nance.
Ein ungekennzeichnetes Polizeifahrzeug hielt hinter ihm an, und zwei Polizisten in Zivil traten zu den anderen. Acht Bullen!
Einer in Jeans und Sweatshirt bückte sich und hielt seinen Ausweis vor Cals Fenster. Auf dem Sitz neben seinem Bein lag ein Funkgerät, und dreißig Sekunden zuvor hätte er auf den blauen Knopf drücken und Nance warnen müssen. Aber jetzt war es zu spät. Die Polizisten waren aus dem Nirgendwo aufgetaucht.
Er kurbelte langsam sein Fenster herunter. Der Polizist beugte sich
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