Der Klient
deiner Mutter gesprochen?« fragte sie.
»Gestern nachmittag. Sie hörte sich ziemlich erschöpft an.«
»Das ist sie auch. Ich war bei ihr, bevor du angerufen hast, und sie versucht, irgendwie durchzuhalten. Ricky hatte einen schlechten Tag.«
»Ja, und schuld daran sind nur diese dämlichen Bullen. Wir sollten sie verklagen.«
»Vielleicht später. Jetzt müssen wir über etwas anderes sprechen. Gestern, nachdem du den Gerichtssaal verlassen hattest, hat Richter Roosevelt mit den Anwälten und den Leuten vom FBI gesprochen. Er will, daß ihr alle, du, deine Mutter und Ricky, in das nationale Zeugenschutzprogramm aufgenommen werdet. Er ist überzeugt, daß das die beste Methode ist, euch zu schützen, und ich neige zu derselben Ansicht.«
»Wie sieht das aus?«
»Das FBI bringt euch an einen neuen Ort, ganz im geheimen, weit fort von hier, und ihr bekommt neue Namen, neue Schulen, alles neu. Deine Mutter bekommt einen neuen Job, einen, der mehr einbringt als nur sechs Dollar die Stunde. Kann sein, daß sie euch nach ein paar Jahren wieder woanders hinbringen, sicherheitshalber. Sie bringen Ricky in einem wesentlich besseren Krankenhaus unter, bis es ihm wieder gut geht. Die Regierung übernimmt natürlich alle Kosten.«
»Kriege ich ein neues Fahrrad?«
»Natürlich.«
»War nur ein Witz. Ich habe das einmal in einem Film gesehen. Einem Mafia-Film. Da war ein Mann, der hatte gegen die Mafia ausgesagt, und das FBI hat ihm geholfen, zu verschwinden. Er bekam eine Gesichtsoperation. Sie beschafften ihm eine neue Frau und alles, was dazugehört. Schickten ihn nach Brasilien oder sonstwohin.«
»Und was ist passiert?«
»Sie brauchten ungefähr ein Jahr, um ihn zu finden. Seine Frau haben sie auch umgebracht.«
»Das war nur ein Film, Mark. Dir bleibt im Grunde nichts anderes übrig. Es ist der sicherste Weg.«
»Natürlich muß ich ihnen alles erzählen, bevor sie all diese wundervollen Dinge für uns tun.«
»Das gehört zu dem Handel.«
»Die Mafia vergißt nie was, Reggie.«
»Du hast zu viele Filme gesehen, Mark.«
»Kann sein. Aber hat das FBI je einen Zeugen in diesem Programm verloren?«
Die Antwort war ja, aber sie konnte kein spezielles Beispiel für einen solchen Fall zitieren. »Ich weiß es nicht, aber wir werden uns mit ihnen treffen, und dann kannst du sie nach allem fragen, was du wissen willst.«
»Was ist, wenn ich mich nicht mit ihnen treffen will? Was ist, wenn ich hier in meiner kleinen Zelle bleiben will, bis ich zwanzig Jahre alt bin und Richter Roosevelt schließlich stirbt? Und ich dann freigelassen werde?«
»Gut. Aber was ist mit deiner Mutter und Ricky? Was passiert mit ihnen, wenn er aus dem Krankenhaus entlassen wird und sie nicht wissen, wo sie hinsollen?«
»Sie können bei mir einziehen. Doreen sorgt für uns.«
Verdammt, er schaltete schnell für einen Elfjährigen. Sie schwieg einen Moment und lächelte ihn an. Er musterte sie.
»Mark, vertraust du mir?«
»Ja, Reggie. Ich vertraue Ihnen. Sie sind im Augenblick der einzige Mensch in der Welt, dem ich vertraue. Also bitte, helfen Sie mir.«
»Es gibt keinen einfachen Ausweg.«
»Das weiß ich.«
»Mir geht es nur um eure Sicherheit. Die Sicherheit von dir, deiner Mutter und Ricky. Für Richter Roosevelt gilt das gleiche. Nun, es wird ein paar Tage dauern, die Einzelheiten des Zeugenschutzprogramms zu arrangieren. Der Richter hat das FBI gestern angewiesen, sofort mit den Vorbereitungen anzufangen, und ich glaube, es ist die beste Lösung.«
»Haben Sie mit meiner Mutter darüber gesprochen?«
»Ja. Sie will noch mehr darüber erfahren. Ich glaube, die Idee sagt ihr zu.«
»Aber woher wissen Sie, daß es funktionieren wird, Reggie? Ist es vollkommen sicher?«
»Nichts ist vollkommen sicher, Mark. Dafür gibt es keine Garantien.«
»Wunderbar. Vielleicht finden sie uns, vielleicht auch nicht. Das wird das Leben aufregend machen, meinen Sie nicht?«
»Hast du eine bessere Idee?«
»Natürlich. Es ist ganz einfach. Wir kassieren die Versicherung für den Wohnwagen. Wir suchen uns einen anderen und ziehen dort ein. Ich halte den Mund, und wir leben glücklich bis ans Ende unserer Tage. Mir ist es wirklich völlig egal, ob sie diese Leiche finden, Reggie. Es interessiert mich einfach nicht.«
»Tut mir leid, Mark, aber so geht es nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil du zufällig großes Pech gehabt hast. Du verfügst über wichtige Informationen, und man wird dich nicht in Ruhe lassen, bis du sie preisgegeben
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