Der Klient
dutzendmal versichert, daß die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika an diesem Tag sein Schild sein würde. Slick trug Jeans, eine Safarijacke und Trekkingstiefel, ganz der wettergegerbte Reporter.
Harry war nicht beeindruckt von der Aura, die dieser Kriecher ausstrahlte. Ebensowenig war er beeindruckt von den Seidensocken tragenden, blaublütigen republikanischen Anwälten, die noch nie die Türen seines Gerichtssaals verdunkelt hatten. Harry war wütend. Er saß auf seinem Podium und las zum zehnten Mal Slicks Story in der Morgenausgabe. Er hatte außerdem etliche den Ersten Verfassungszusatz betreffende Fälle nachgelesen, bei denen es um Reporter und ihre geheimen Informanten ging. Und er ließ sich Zeit, damit Slick ins Schwitzen geriet.
Die Türen waren geschlossen. Der Gerichtsdiener, Slicks Freund Grinder, stand ziemlich nervös neben dem Podium. Auf Anweisung des Richters hatten zwei uniformierte Deputies unmittelbar hinter Slick und seinen Anwälten Platz genommen, sichtlich bereit, jeden Moment zur Tat zu schreiten. Das machte Slick und seine Anwälte nervös, aber sie versuchten, es sich nicht anmerken zu lassen.
Die Protokollantin, diesmal in einem noch kürzeren Rock, feilte ihre Nägel und wartete darauf, daß die Worte zu strömen begannen. Die verdrießliche ältere Frau saß an ihrem Tisch und blätterte im National Enquirer . Sie warteten und warteten. Es war fast halb eins. Wie gewöhnlich war der Sitzungskalender randvoll, und die Termine mußten bereits verschoben werden. Marcia hielt für Harry ein Clubsandwich für die Pause zwischen den Anhörungen bereit. Die Sway-Anhörung war die nächste.
Er beugte sich mit aufgestützten Ellenbogen vor und funkelte auf Slick herab, der mit seinen fünfundsechzig Kilo ungefähr ein Drittel von Harrys Gewicht hatte. »Zu Protokoll«, bellte er die Protokollantin an, die sofort zu tippen begann.
Obwohl äußerlich ganz cool, fuhr Slick bei diesen ersten Worten zusammen und setzte sich gerader hin.
»Mr. Moeller, ich habe Sie vorladen lassen, weil Sie gegen einen die Vertraulichkeit meiner Anhörung betreffenden Paragraphen der Gesetze von Tennessee verstoßen haben. Das ist eine sehr schwerwiegende Sache, weil es hier um die Sicherheit und das Wohlergehen eines Kindes geht. Leider ist im Gesetz keine Strafverfolgung vorgesehen, und ich kann Sie nur wegen Mißachtung des Gerichts belangen.« Er nahm seine Lesebrille ab und machte sich daran, die Gläser mit einem Taschentuch zu putzen. »Also, Mr. Moeller«, sagte er wie ein frustrierter Großvater, »so sehr ich mich auch über Sie und Ihre Story ärgere, macht mir doch die Tatsache, daß jemand Ihnen diese Information hat zukommen lassen, wesentlich größere Sorgen. Jemand, der während der gestrigen Anhörung in diesem Gerichtssaal zugegen war. Ihr Informant beunruhigt mich sehr.«
Grinder lehnte an der Wand und drückte die Waden dagegen, um zu verhindern, daß seine Knie zitterten. Er traute sich nicht, Slick anzusehen. Sein erster Herzinfarkt lag erst sechs Jahre zurück, und wenn er sich nicht beherrschte, konnte nun der tödliche kommen.
»Bitte nehmen Sie im Zeugenstand Platz, Mr. Moeller«, wies Harry ihn mit einer Handbewegung an.
Slick wurde von der verdrießlichen Alten vereidigt. Er deponierte einen Trekkingstiefel auf einem Knie und warf einen Beruhigung heischenden Blick auf seine Anwälte. Sie sahen ihn nicht an. Grinder betrachtete die Fliesen an der Decke.
»Sie stehen unter Eid, Mr. Moeller«, erinnerte ihn Harry, nur Sekunden nachdem er ihn geleistet hatte.
»Ja, Sir«, sagte er und versuchte schwächlich, diesen gewaltigen Mann anzulächeln, der hoch über ihm saß und über das Geländer des Podiums hinweg auf ihn herabschaute.
»Haben Sie die Story in der heutigen Zeitung, die Ihren Namen trägt, tatsächlich geschrieben?«
»Ja, Sir.«
»Haben Sie sie allein geschrieben, oder hat Ihnen jemand geholfen?«
»Nun, Euer Ehren, ich habe jedes Wort selbst geschrieben, wenn es das ist, was Sie meinen.«
»Das meine ich. Nun, im vierten Absatz dieser Story schreiben Sie, ich zitiere, ›Mark Sway weigerte sich, Fragen über Barry Muldanno und Boyd Boyette zu beantworten.‹ Ende des Zitats. Haben Sie das geschrieben, Mr. Moeller?«
»Ja, Sir.«
»Und waren Sie gestern, als der Junge aussagte, hier im Saal anwesend?«
»Nein, Sir.«
»Waren Sie in diesem Gebäude?«
»Äh, ja, Sir. Dagegen ist doch nichts einzuwenden, oder?«
»Keine überflüssigen
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