Der Klient
mit dir darüber gesprochen.«
»Ja, wir hatten ein langes Gespräch. Es gibt da eine gute Klinik für Ricky, und wir können von vorn anfangen.«
»Klingt gut, aber der Gedanke macht mir Angst.«
»Mir auch, Mark. Ich will mich nicht die nächsten vierzig Jahre ständig umsehen müssen. Ich habe einmal in irgendeiner Zeitschrift über einen Mafia-Informanten gelesen, der dem FBI geholfen hat, und der dann versteckt worden ist. Genau so, wie sie es mit uns vorhaben. Ich glaube, es hat zwei Jahre gedauert, bis die Mafia ihn gefunden und seinen Wagen in die Luft gesprengt hat.«
»Ich glaube, ich habe den Film gesehen.«
»Ich kann so nicht leben, Mark.«
»Können wir einen anderen Wohnwagen bekommen?«
»Ich glaube schon. Ich habe heute morgen mit Mr. Tucker ge sprochen, und er hat gesagt, der Wohnwagen wäre voll versichert gewesen. Er hat gesagt, er hätte einen anderen für uns. Und ich habe immer noch meinen Job. Sie haben sogar heute morgen den Lohnscheck im Krankenhaus abgeliefert.«
Mark lächelte bei dem Gedanken, in die Wohnwagensiedlung zurückkehren und mit den anderen Jungen herumhängen zu können. Er vermißte sogar die Schule.
»Diese Leute sind gefährlich, Mark.«
»Ich weiß. Ich habe sie kennengelernt.«
Sie dachte eine Sekunde nach, dann fragte sie: »Was hast du?«
»Das ist vermutlich auch etwas, was ich zu erzählen vergessen habe.«
»Erzähl.«
»Es ist vor ein paar Tagen im Krankenhaus passiert. Ich weiß nicht, an welchem Tag. Sie verschwimmen alle.« Er holte tief Luft und erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem Mann mit dem Schnappmesser und ihrem Familienfoto. Normalerweise wäre sie oder jede andere Mutter entsetzt gewesen. Aber für Dianne war es nur ein weiteres Ereignis in einer grauenhaften Woche.
»Warum hast du mir das nicht gesagt?«
»Weil ich dich nicht beunruhigen wollte.«
»Vielleicht wären wir nicht in dieser Lage, wenn du mir von Anfang an alles erzählt hättest.«
»Mach mir keine Vorwürfe, Mom. Ich kann es nicht verkraf ten.«
Sie konnte es auch nicht, also ließ sie das Thema fallen. Reggie klopfte an und öffnete die Tür. »Wir müssen gehen«, sagte sie. »Der Richter wartet.«
Sie folgten ihr den Flur entlang und dann um eine Ecke herum. Zwei Deputies folgten ihnen. »Bist du nervös?« flüsterte Dianne. »Nein. Es ist keine große Sache, Mom.«
Als sie den Gerichtssaal betraten, verzehrte Harry gerade sein Sandwich und blätterte in der Akte. Fink, Ord und Baxter McLemore, die heutigen Vertreter der Anklage vor dem Jugendgericht, saßen zusammen an ihrem Tisch, alle stumm und zahm, alle gelangweilt, und warteten auf das, was zweifellos ein kurzer Auftritt des Jungen sein würde. Fink und Ord waren fasziniert von den Beinen und dem Rock der Protokollantin. Ihre Figur war hinreißend – ganz schmale Taille, straffe Brüste, schlanke Beine. Sie war das einzige erfreuliche Element in diesem schäbigen Gerichtssaal, und Fink mußte sich eingestehen, daß er während des gestrigen Flugs nach New Orleans an sie gedacht hatte. Und er hatte auch auf dem Weg zurück nach Memphis an sie gedacht. Sie enttäuschte ihn nicht. Ihr Rock endete auf halber Höhe der Oberschenkel und wanderte zusehends weiter aufwärts.
Harry sah Dianne an und bedachte sie mit seinem besten Lächeln. Seine großen Zähne waren makellos und seine Augen freundlich. »Hallo, Ms. Sway«, sagte er liebenswürdig. Sie nickte und versuchte zu lächeln.
»Ich freue mich, Sie kennenzulernen, und es tut mir leid, daß es unter diesen Umständen geschieht.«
»Danke, Euer Ehren«, sagt sie leise zu dem Mann, der ihren Sohn ins Gefängnis geschickt hatte.
Harry warf einen verächtlichen Blick auf Fink. »Ich gehe davon aus, daß Sie alle die heutige Ausgabe der Memphis Press gelesen haben. Sie enthält eine faszinierende Story über die gestrige Verhandlung, und der Mann, der diese Story geschrieben hat, sitzt jetzt im Gefängnis. Ich habe vor, dieser Angelegenheit weiter nachzugehen, und ich bin sicher, daß ich die undichte Stelle finden werde.«
Grinder, neben der Tür, fühlte sich plötzlich wieder sehr elend.
»Und wenn ich sie gefunden habe, werde ich mit einem Mißachtungs-Beschluß darauf reagieren. Also, meine Damen und Herren, halten Sie den Mund. Kein Wort zu irgendjemandem.« Er griff nach der Akte. »Also, Mr. Fink, wo ist Mr. Foltrigg?«
Fink antwortete, ohne sich von seinem Platz zu rühren. »Er ist in New Orleans, Eurer Ehren. Ich habe die Kopie des
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