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Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hörst dich nicht an, als stündest du unter Schock oder so etwas.«
    »Ich habe mich ganz schnell wieder erholt. Ich habe sie reingelegt. Ich habe in meiner Zelle eine halbe Stunde gejoggt, und als sie mich fanden, war ich schweißgebadet und in sehr schlechter Verfassung, wie sie sagten.«
    Clint setzte sich auf der Couch auf und hörte interessiert zu. »Hat ein Arzt dich gesehen?« fragte sie mit einem Stirnrunzeln zu Clint.
    »Nicht direkt.«
    »Was bedeutet das?«
    »Es bedeutet, daß ich aus der Notaufnahme rausspaziert bin. Es bedeutet, daß ich entkommen bin, Reggie. Es war ganz einfach.«
    »Oh, mein Gott!«
    »Nicht nervös werden. Mir geht es gut. Ich gehe nicht wieder ins Gefängnis, Reggie. Und ich werde auch nicht vor der Anklagejury in New Orleans erscheinen. Da werde ich doch gleich wieder eingelocht.«
    »Hör zu, Mark, das kannst du nicht machen. Du kannst nicht einfach ausbrechen. Du mußt …«
    »Ich bin bereits ausgebrochen. Und wissen Sie was?«
    »Ja?«
    »Ich glaube nicht, daß es schon jemand gemerkt hat. In dem ganzen Chaos hier ist bestimmt überhaupt noch niemandem aufgefallen, daß ich verschwunden bin.«
    »Was ist mit der Polizei?«
    »Was für Polizei?«
    »Ist denn kein Polizist mit dir ins Krankenhaus gefahren?«
    »Nein. Ich bin ja nur ein kleiner Junge, Reggie. Ich hatte zwei riesige Sanitäter, aber ich bin nur ein kleiner Junge, und zu der Zeit lag ich im Koma, habe am Daumen gelutscht und geächzt und gestöhnt, genau wie Ricky. Ich war wirklich toll. Wie in einem Film. Sobald sie mich hergebracht hatten, sind sie verschwunden, und ich bin einfach aufgestanden und weggegangen.«
    »Das kannst du nicht tun, Mark.«
    »Ich habe es getan, okay? Und ich gehe nicht zurück.«
    »Was ist mit deiner Mutter?«
    »Mit ihr habe ich vor ungefähr einer Stunde gesprochen, übers Telefon natürlich. Sie ist ausgeflippt, aber ich konnte sie überzeugen, daß es mir gut geht. Es hat ihr nicht gefallen, sie wollte, daß ich in Rickys Zimmer komme. Wir haben uns am Telefon furchtbar gestritten, aber schließlich hat sie sich wieder beruhigt. Ich glaube, sie schluckt wieder Tabletten.«
    »Aber du bist im Krankenhaus.«
    »Ja.«
    »Wo? In welchem Zimmer?«
    »Sind Sie immer noch meine Anwältin?«
    »Natürlich bin ich deine Anwältin.«
    »Gut. Wenn ich Ihnen also etwas verrate, dürfen Sie es nicht weitersagen, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Sind Sie meine Freundin, Reggie?«
    »Natürlich bin ich deine Freundin.«
    »Das ist gut, denn außer Ihnen habe ich im Moment keinen einzigen Freund. Wollen Sie mir helfen, Reggie? Ich habe wirklich eine Heidenangst.«
    »Ich werde alles für dich tun, Mark. Wo bist du?«
    »In der Leichenhalle. Da ist ein kleines Büro in der Ecke, und ich verstecke mich unter dem Schreibtisch. Die Lichter sind aus. Wenn ich plötzlich auflege, ist jemand hereingekommen. Sie haben zwei Leichen gebracht, seit ich hier bin, aber bisher ist noch niemand hier ins Büro gekommen.«
    »In der Leichenhalle?«
    Clint sprang auf und trat neben sie.
    »Ja. Ich bin früher schon einmal hier gewesen. Sie wissen ja, ich kenne diesen Bau ziemlich gut.«
    »Ja, ich weiß.«
    »Wer ist in der Leichenhalle?« flüsterte Clint. Sie sah ihn stirnrunzelnd an und schüttelte den Kopf.
    »Mom hat gesagt, Sie wären auch vorgeladen worden, Reggie. Ist das wahr?«
    »Ja, aber die Vorladung konnte mir noch nicht zugestellt werden. Deshalb bin ich hier bei Clint. Wenn mir die Vorladung nicht ausgehändigt wird, brauche ich nicht zu erscheinen.«
    »Also verstecken Sie sich auch?«
    »So könnte man es ausdrücken.«
    Plötzlich klickte es am anderen Ende, und es folgte das Leerzeichen. Sie starrte auf den Hörer, dann legte sie schnell auf. »Er hat eingehängt«, sagte sie.
    »Was zum Teufel geht da vor?«
    »Das war Mark. Er ist aus dem Gefängnis ausgebrochen.«
    »Wie bitte?«
    »Er versteckt sich in der Leichenhalle vom St. Peter’s.« Sie sagte das, als könnte sie es nicht glauben. Das Telefon läutete wieder, und sie riß den Hörer hoch. »Hallo?«
    »Tut mir leid. Die Tür zur Leichenhalle wurde auf- und dann wieder zugemacht. Ich dachte, sie würden noch eine Leiche reinbringen.«
    »Bist du in Sicherheit, Mark?«
    »Also nein, in Sicherheit bin ich bestimmt nicht. Aber ich bin eben nur ein kleiner Junge, oder? Und jetzt bin ich außerdem auch noch ein psychiatrischer Fall. Aber wenn sie mich erwischen, verfalle ich einfach wieder in meinen Schockzustand, und sie bringen mich in ein

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