Der Klient
gemacht. Er hatte Mitarbeiter gefeuert, von denen er argwöhnte, daß sie zuviel redeten. Er hatte von allen Anwälten, Anwaltsgehilfen, Rechercheuren und Sekretärinnen, die für ihn arbeiteten, verlangt, daß sie sich einem Test mit dem Lügendetektor unterzogen. Heikle Informationen hielt er streng unter Verschluß, weil er fürchtete, seine eigenen Leute könnten sie preisgeben. Er hielt Vorträge und stieß Drohungen aus.
Aber Roy Foltrigg war nicht der Mann, der andere zu tiefer Loyalität inspirierte. Viele seiner Assistenten mochten ihn nicht. Er spielte das Politikspiel. Er benutzte Fälle für seine eigenen krassen Ambitionen. Er vereinnahmte das Rampenlicht, kassierte sämtliches Lob für gute Arbeit und machte für schlechte seine Untergebenen verantwortlich. Um einiger billiger Schlagzeilen willen bemühte er sich um die Verurteilung von gewählten Beamten wegen Marginaldelikten. Er forschte seine Gegner aus und zerrte ihre Namen durch die Presse. Er war eine politische Hure, und sein einziges Talent auf juristischem Gebiet äußerte sich im Gerichtssaal, wo er den Geschworenen predigte und aus der Bibel zitierte. Er war unter Reagan ernannt worden und hatte noch ein Jahr vor sich, und die meisten seiner Assistenten zählten die Tage. Sie ermutigten ihn, für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Egal für welches.
Um acht Uhr morgens kamen die ersten Anrufe der Reporter in New Orleans. Sie verlangten einen offiziellen Kommentar aus Foltriggs Büro über Clifford. Sie bekamen keinen. Um vierzehn Uhr zog Willis Upchurch mit einem finster dreinblickenden Muldanno an seiner Seite seine Schau ab, und weitere Reporter schnüffelten im Büro herum. Zwischen Memphis und New Orleans wurden Hunderte von Telefongesprächen geführt.
Die Leute redeten.
Sie standen vor dem schmutzigen Fenster am Ende des Flurs im neunten Stock und beobachteten den Feierabendverkehr in der Innenstadt. Dianne zündete sich nervös eine Virginia Slim an und stieß eine dicke Rauchwolke aus. »Wer ist diese Anwältin?«
»Sie heißt Reggie Love.«
»Wie hast du sie gefunden?«
Er deutete auf das vier Blocks entfernte Sterick Building. »Ich bin einfach in ihr Büro in dem Gebäude da drüben gegangen und habe mit ihr gesprochen.«
»Warum, Mark?«
»Diese Polizisten machen mir Angst, Mom. Hier im Haus wimmelt es von Polizisten und FBI-Leuten. Und Reportern. Einer von ihnen hat mich heute nachmittag im Fahrstuhl abgepaßt. Ich finde, wir brauchen juristischen Rat.«
»Anwälte arbeiten nicht umsonst, Mark. Du weißt genau, daß wir uns keinen Anwalt leisten können.«
»Ich habe sie schon bezahlt«, sagte er wie ein Großindustrieller.
»Was? Wie kannst du einen Anwalt bezahlen?«
»Sie wollte einen kleinen Vorschuß, und sie hat einen bekommen. Ich habe ihr einen Dollar gegeben von den fünf, die ich mir heute morgen für die Doughnuts genommen habe.«
»Sie arbeitet für einen Dollar? Das muß ja eine tolle Anwältin sein.«
»Sie ist ziemlich gut. Bis jetzt bin ich sehr beeindruckt von ihr.«
Dianne schüttelte verwundert den Kopf. Im Verlauf ihrer widerlichen Scheidung hatte Mark, damals neun Jahre alt, ständig ihren Anwalt kritisiert. Er hatte sich stundenlang Wiederholungen von »Perry Mason« angesehen und keine Folge von »L. A. Law« versäumt. Es war Jahre her, seit sie in einer Diskussion mit ihm die Oberhand behalten hatte.
»Was hat sie bisher unternommen?« fragte Dianne, als träte sie aus einer dunklen Höhle heraus und sähe zum ersten Mal seit einem Monat wieder die Sonne.
»Um zwölf hat sie sich mit zwei FBI-Agenten getroffen und sie ganz schön in der Luft zerrissen. Und später ist sie wieder mit ihnen zusammengekommen, in ihrem Büro. Seither habe ich noch nicht wieder mit ihr gesprochen.«
»Wann kommt sie hierher?«
»Gegen sechs. Sie will dich kennenlernen und mit Dr. Greenway sprechen. Sie wird dir bestimmt gefallen, Mom.«
Dianne füllte ihre Lungen mit Rauch und exhalierte. »Aber wozu brauchen wir sie, Mark? Ich verstehe einfach nicht, weshalb sie überhaupt auf der Bildfläche erscheinen mußte. Du hast nichts Unrechtes getan. Du und Ricky, ihr habt den Wagen gesehen, du hast versucht, dem Mann zu helfen, aber er hat sich trotzdem erschossen. Und ihr beide habt es gesehen. Wozu brauchst du einen Anwalt?«
»Nun, zu Anfang habe ich die Polizisten angeschwindelt, und deswegen habe ich Angst. Und außerdem habe ich Angst, daß ich in Schwierigkeiten geraten könnte, weil wir den Mann
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