Der Klient
tat so, als höre er das nicht, aber die anderen sechs wiederholten lautlos diese Worte. Wußte Foltrigg Dinge, von denen er ihnen noch nichts gesagt hatte? Es trat eine Pause ein; diese offensichtliche Verkündung einer Tatsache mußte erst verdaut werden.
»Haben Sie uns alles gesagt?« fragte Bobby und ließ den Blick über seine Kohorten schweifen.
»Ja«, erwiderte Foltrigg. »Aber ich sage Ihnen, der Junge weiß es. Ich hab da so ein Gefühl im Bauch.«
Typisch Foltrigg. Schuf Fakten mit dem Bauch und erwartete, daß seine Untergebenen ihm blindlings folgten.
Bobby fuhr fort. »Das Jugendgericht läßt der Mutter des Kindes eine Vorladung zugehen, und binnen sieben Tagen findet eine Anhörung statt. Das Kind muß einen Anwalt haben; soweit ich informiert bin, wurde bereits jemand engagiert. Das Kind hat das Recht, bei der Anhörung anwesend zu sein, und kann aussagen, wenn es das möchte.« Bobby schrieb etwas auf seinen Notizblock. »Das ist meiner Meinung nach der schnellste Weg, um den Jungen zum Reden zu bringen.«
»Was ist, wenn er sich weigert, im Zeugenstand zu reden?«
»Eine sehr gute Frage«, sagte Bobby wie ein Professor, der über einen Jurastudenten im ersten Semester nachdenkt. »Das steht voll und ganz im Ermessen des Richters. Wenn wir einen guten Fall vorlegen und den Richter überzeugen, daß der Junge etwas weiß, dann steht es in seiner Macht, von dem Jungen zu verlangen, daß er redet. Wenn der Junge sich weigert, macht er sich der Mißachtung des Gerichts schuldig.«
»Nehmen wir an, daß er das tut. Was passiert dann?«
»Das ist von hier aus schwer zu sagen. Er ist erst elf Jahre alt, aber der Richter könnte, als letztes Mittel, den Jungen in ein Jugendgefängnis stecken, bis er sich vom Vorwurf der Mißachtung gereinigt hat.«
»Mit anderen Worten, bis er redet.«
Es war so leicht, Foltrigg etwas einzureden. »So ist es. Aber bedenken Sie, das wäre der drastischste Kurs, den der Richter einschlagen könnte. Bisher haben wir noch keinen Präzedenzfall für die Inhaftierung eines Elfjährigen wegen Mißachtung des Gerichts gefunden. Wir haben noch nicht alle fünfzig Staaten überprüft, aber immerhin die meisten von ihnen.«
»So weit wird es nicht kommen«, sagte Foltrigg gelassen. »Wenn wir eine Eingabe machen als interessierte Partei, der Mutter des Jungen eine Vorladung zustellen, seinen kleinen Arsch mit seiner Anwältin im Schlepptau vor Gericht zerren, dann wird er, davon bin ich fest überzeugt, eine solche Angst haben, daß er alles erzählt, was er weiß. Was denken Sie, Thomas?«
»Ja, ich denke, es wird funktionieren. Aber was ist, wenn es nicht funktioniert? Was ist die Kehrseite der Medaille?«
»Das Risiko ist gering«, erklärte Bobby. »Alle Verhandlungen vor dem Jugendgericht finden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Wir können sogar verlangen, daß die Eingabe unter Verschluß gehalten wird. Wenn sie von vornherein als unbegründet oder aus irgendeinem anderen Grund abgewiesen wird, dann erfährt niemand etwas davon. Wenn es zur Anhörung kommt und a), der Junge redet, aber nichts weiß, oder b), der Richter es ablehnt, ihn zum Reden zu zwingen, dann haben wir nichts verloren. Und c), wenn der Junge redet aus Angst oder wegen der Mißachtung-des-Gerichts-Geschichte, dann haben wir, was wir wollten. Immer vorausgesetzt, der Junge weiß über Boyette Bescheid.«
»Er weiß Bescheid«, sagte Foltrigg.
»Der Plan wäre nicht so gut, wenn das Verfahren öffentlich wäre. Wenn wir verlören, würde es so aussehen, als wären wir schwach und griffen nach jedem Strohhalm. Wenn wir es versuchen und scheitern und das irgendwie an die Öffentlichkeit gelangt, könnte das, glaube ich, unsere Chancen bei dem Prozeß hier in New Orleans stark beeinträchtigen.«
Die Tür wurde geöffnet, und Wally Boxx, der gerade den Transporter erfolgreich geparkt hatte, trat ein und schien verärgert, daß man ohne ihn angefangen hatte. Er setzte sich neben Foltrigg.
»Aber Sie sind sicher, daß es unter Ausschluß der Öffentlichkeit geschehen kann?« fragte Fink.
»Das steht jedenfalls im Gesetz. Ich weiß nicht, wie die Dinge in Memphis gehandhabt werden, aber die Vertraulichkeit wird in einem Paragraphen des Gesetzes ausdrücklich erwähnt. Es sind sogar Strafen für Indiskretionen vorgesehen.«
»Wir brauchen einen Anwalt am Ort, jemanden aus Ords Büro«, sagte Foltrigg zu Fink, als wäre die Entscheidung bereits getroffen worden. Dann wendete er sich wieder
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