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Der Klient

Titel: Der Klient Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Seitentür, und der Duft aus der Küche traf Mark wie ein Schlag. Er hatte plötzlich das Gefühl, halb verhungert zu sein. Eine kleine Frau mit grauem, zu einem straffen Pferdeschwanz zusammengebundenem Haar und dunklen Augen kam ihnen entgegen und nahm Reggie in die Arme.
    »Momma Love, das ist Mark Sway«, sagte Reggie. Er und Momma Love waren genau gleich groß, und sie umarmte ihn sanft und drückte ihm einen Kuß auf die Wange. Er stand steif da und wußte nicht recht, wie er eine ihm völlig fremde, achtzigjährige Frau begrüßen sollte.
    »Schön, dich kennenzulernen, Mark«, sagte sie in sein Gesicht hinein. Ihre Stimme war kräftig und klang fast genau so wie die von Reggie. Sie nahm seinen Arm und führte ihn zum Küchentisch. »Setz dich, ich hol dir was zu trinken.«
    Reggie grinste, als wollte sie sagen: Tu, was sie verlangt, weil dir gar nichts anderes übrigbleibt. Sie hängte ihren Schirm an einen Haken hinter der Tür und stellte den Aktenkoffer auf den Boden.
    Die Küche war klein und vollgestopft mit Schränken und Regalen an drei Wänden. Von einem Gasherd stieg Dampf auf. In der Mitte des Raums stand ein Holztisch mit vier Stühlen, von einem Balken darüber hingen Töpfe und Pfannen herab. Die Küche war warm und roch appetitanregend.
    Mark ließ sich auf dem ihm am nächsten stehenden Stuhl nieder und beobachtete, wie Momma Love ein Glas aus dem Schrank holte, den Kühlschrank öffnete, das Glas mit Eis füllte, Tee aus einem Krug hineingoß.
    Reggie streifte die Schuhe ab und rührte in einem Topf auf dem Herd. Sie und Momma Love unterhielten sich, die übliche Routine, wie der Tag gelaufen war und wer angerufen hatte. Eine Katze machte an Marks Stuhl halt und beäugte ihn.
    »Das ist Axle«, sagte Momma Love, als sie ihm den Eistee mit einer Stoffserviette vorsetzte. »Sie ist siebzehn Jahre alt und ganz friedlich.«
    Mark trank den Tee und ließ Axle in Ruhe. Er mochte keine Katzen.
    »Wie geht es deinem kleinen Bruder?« fragte Momma Love.
    »Schon viel besser«, sagte er und fragte sich plötzlich, was Reggie ihrer Mutter wohl erzählt haben mochte. Dann entspannte er sich. Wenn Clint nur sehr wenig wußte, dann wußte Momma Love vermutlich noch viel weniger. Er nahm einen weiteren Schluck. Sie wartete auf eine längere Antwort. »Heute hat er angefangen zu reden.«
    »Das ist ja wunderbar!« erklärte sie mit einem breiten Lächeln und tätschelte seine Schulter.
    Reggie goß sich ihren Tee aus einem anderen Krug ein und gab Süßstoff und Zitrone hinzu. Sie setzte sich Mark gegenüber an den Tisch, und Axle sprang auf ihren Schoß. Sie trank Tee, streichelte die Katze und begann langsam ihren Schmuck abzulegen. Sie war müde.
    »Hast du Hunger?« fragte Momma Love, die plötzlich wieder in der Küche herumschoß, den Backofen öffnete, den Topf umrührte, eine Schublade zuschob.
    »Ja, Madam.«
    »Es ist nett, einen jungen Mann mit guten Manieren hier zu haben«, sagte sie, hielt eine Sekunde inne und lächelte ihn an. »Die meisten von Reggies Kindern haben keine Manieren. Ich habe in diesem Haus seit Jahren niemanden mehr ›Ja, Madam‹ sagen hören.« Dann war sie wieder an der Arbeit, wischte eine Pfanne aus und legte sie in den Ausguß.
    Reggie zwinkerte ihm zu. »Mark hat seit drei Tagen nur Krankenhausessen bekommen, Momma Love, und möchte wissen, was du da kochst.«
    »Das ist eine Überraschung«, sagte sie, öffnete den Backofen und ließ einen köstlichen Duft nach Fleisch und Käse und Tomaten heraus. »Aber ich denke, es wird dir schmecken, Mark.«
    Er war sicher, daß es ihm schmecken würde. Reggie zwinkerte ihm abermals zu, während sie den Kopf zur Seite drehte und ihre kleinen Brillantohrringe abnahm. Das Schmuckhäufchen vor ihr bestand jetzt aus einem halben Dutzend Armbändern, einer Kette, einer Uhr und den Ohrringen. Axle beobachtete sie. Momma Love hantierte plötzlich mit einem langen Messer auf einem Schneidebrett. Sie wirbelte herum und stellte einen Korb mit heißem, gebuttertem Brot vor ihn hin. »Ich backe jeden Mittwoch Brot«, sagte sie, tätschelte ihm abermals die Schulter und kehrte dann zum Herd zurück.
    Mark griff sich das größte Stück und biß hinein. Es war weich und warm, ein Brot, wie er es noch nie gegessen hatte. Die Butter und der Knoblauch schmolzen ihm auf der Zunge.
    »Momma Love ist eine reinblütige Italienerin«, sagte Reggie und streichelte Axle. »Ihre Eltern sind beide in Italien geboren und 1902 hier eingewandert. Ich bin

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