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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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blutige Lappen rumlagen.«
    Â»Blutige Lappen?«, fragte Hunter.
    Ricky nickte. »Ich habe ihn danach gefragt. Er hat behauptet, es wäre wegen seines Nasenblutens.«
    Hunter runzelte fragend die Stirn.
    Â»Als Andrew noch klein war, hatte er mal eine schwere Grippe, und seitdem stimmte irgendwas mit seiner Nase nicht. Ich habe selbst ein paarmal gesehen, wie es ihm in der Schule passiert ist. Wenn er niesen musste oder sich ein bisschen zu heftig die Nase geschnäuzt hat, hat es sofort wie verrückt geblutet.«
    Hunter spürte Rickys Unbehagen. »Aber Sie haben ihm nicht abgenommen, dass das Blut auf den Wattebäuschen und den Lappen von seinem Nasenbluten kam, stimmt’s?«
    Ricky sah zu seiner Schwester und dann auf die Büroklammer, mit der er gespielt hatte. Sie war vollkommen verbogen. Er hielt sie in die Höhe. »Neben der Watte auf dem Fußboden lagen ein paar von denen hier. Sie waren auch blutig. Vielleicht hat er mit Büroklammern in der Nase gebohrt, wer weiß? Wie gesagt, er war ein ziemlich seltsamer Typ. Ich wusste nicht, was los war, aber das Versteck war mir irgendwie unheimlich. Ich habe ihm gesagt, dass ich nach Hause muss, und bin ganz schnell gegangen.«
    Hunter wusste, was die blutverschmierten Wattebäusche, Lappen und Büroklammern zu bedeuten hatten: Andrew hatte sich selbst verletzt. Er hatte einen Schmerz durch einen anderen ersetzt, um auf diese Weise Herr über sein Leid zu werden. Den emotionalen Qualen, die er litt, wann immer seine Eltern sich stritten, war er hilflos ausgeliefert, und um sich von ihnen zu distanzieren, hatte er sich einen Ersatzschmerz geschaffen. Wenn er sich selbst Verletzungen zufügte, konnte er ruhigen Herzens dabei zusehen, wie er blutete, und zumindest zeitweise seine Hilflosigkeit und die darunterliegende Wut vergessen. Denn die Schmerzen, die er sich zufügte, kontrollierte er allein, bis hin zu der Tiefe der Schnitte oder der Heftigkeit des Blutflusses.
    Ricky war verstummt und rieb sich mit beiden Händen das Gesicht.
    Â»Hören Sie, ich weiß, Andrew war ein bisschen durchgeknallt, aber das sind doch die meisten Zehnjährigen irgendwie.« Sein Blick ging zu seiner Schwester. »Manche von uns sind es immer noch.«
    Sie quittierte die Bemerkung mit einem erhobenen Mittelfinger.
    Â»Aber im Grunde genommen war er wirklich nett«, fuhr Ricky fort. »Und wenn Sie mich fragen, war das, was sein Vater getan hat, verachtenswert und feige. Andrew hatte nie eine Chance. Er hatte es nicht verdient, zu sterben.«
    Schweigen senkte sich über den Raum.
    Und in Hunters Kopf begann langsam, ein Bild Gestalt anzunehmen.
    97
    Der Raum wurde nur von Kerzen erleuchtet – zwölf waren es insgesamt. Ihre Flammen zuckten in einem hektischen Tanz und warfen Schatten an die Wände. Er hob den Blick zum großen Spiegel an der Wand und sah seine nackte Gestalt darin. Bloße Füße auf dem kalten Zementboden, starke Beine, breite Schultern, ein muskulöser Körper und eiskalte Augen. Besonders lange musterte er sein Gesicht, bevor er sich erst nach links, dann nach rechts drehte, um seinen Rücken zu betrachten.
    Dann ging er zum Tisch in der Ecke, auf dem mehrere Prepaid-Handys lagen. Er nahm eins und wählte eine Nummer, die er auswendig kannte.
    Es klingelte zweimal, bevor sich eine ruhige, feste Stimme meldete.
    Â»Haben Sie die Informationen, um die ich Sie gebeten habe?«, fragte er, wobei sein Blick zur Werkbank schweifte.
    Â»Ja, das war kein Problem.«
    Er hörte aufmerksam zu.
    Die Informationen waren, wenn nicht gerade beunruhigend, so doch überraschend. Trotzdem spiegelte sich in seinen Zügen kein Zeichen von Nervosität oder gar Angst. Er legte auf und strich dann mit der rechten Hand über die lange blutige Nadel samt Faden, die er auf der Werkbank hatte liegen lassen.
    Er würde seinen Plan ändern müssen, und er mochte keine Veränderung. Vom festgelegten Ablauf abzuweichen bedeutete ein erhöhtes Risiko, aber im Moment war er nicht sicher, ob das überhaupt noch eine Rolle spielte.
    Ein Blick auf die Uhr. Er wusste genau, wo sie in den nächsten Stunden zu finden sein würde. Es herauszufinden war geradezu lächerlich einfach gewesen.
    Erneut wandte er sich zum Spiegel und sah tief in seine eigenen Augen.
    Auf ein Neues.
    98
    Â»Mist, verdammter!«
    Sie warf einen Blick auf die Uhr am Armaturenbrett und fluchte halblaut, als

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