Der Knochenbrecher
Händen zu bedecken.
»Warum hast du das getan, Emily? Warum musstest du unsere Familie zerstören? Warum musstest du meine Liebe verraten? Warum zwingst du mich, so was zu tun?« Geifer flog aus Rays Mundwinkeln. Er stopfte das blutige Stück Fleisch zurück in seine Tasche. »WeiÃt du noch, was wir uns früher immer gesagt haben?« Er wartete ihre Antwort nicht ab. »Wir haben immer gesagt: Du bist meine groÃe Liebe. Du bist der Mensch, auf den ich mein Leben lang geÂwartet habe. Du bist mein Seelengefährte. Uns wird nichts auseinanderbringen, weil du der Mensch bist, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen will. WeiÃt du noch?«
Schweigen.
» ANTWORTE MIR !«
Rays Stimme war so ohrenbetäubend laut, so voller Hass, dass Andrew sich oben auf dem Dachboden in die Hose machte.
»J⦠ja.« Emily begann zu schluchzen. Sie zitterte am ganzen Körper. Ihr Atem ging schnell und flach, als sei sie kurz davor, zu hyperventilieren.
»Aber ich war gar nicht deine groÃe Liebe, oder? Du hast mich angelogen, du hinterhältige Schlampe. Du hast mir eingeredet, dass das mit uns etwas Heiliges ist, etwas Besonderes, etwas Ewiges. Aber das war es gar nicht, stimmtâs? Es hat dir nicht gereicht.«
Emily brachte die Lippen nicht auseinander.
»War er denn der Richtige?«, fragte Ray. »War Nathan deine groÃe Liebe?« Er machte einen weiteren Schritt auf sie zu. Emily stand mit dem Rücken zur Wand. Sie konnte nirgendwohin ausweichen. »Hast du ihn geliebt?«
Keine Antwort.
»Hast. Du. Ihn. Geliebt?« Schlagartig fand in Ray eine Verwandlung statt, als hätte etwas Fremdes von seinem Körper Besitz ergriffen. Etwas abgrundtief Böses.
Emilys Stimme versagte. Ihre Stimmbänder waren vor Angst wie eingefroren. In einem gedankenlosen Reflex nickte sie unmerklich.
Das war der Funke, der Rays Hass zur Explosion brachte.
»Wenn das für dich die wahre Liebe ist, dann sollst du sie haben. Dann sollst du sie für immer und ewig in dir drin haben. Du und er, für alle Zeit vereint.« Er kam auf sie zu, schnell und entschlossen. Keine Armee hätte ihn aufhalten können. Seine Faust traf sie mit voller Wucht seitlich am Kopf, und sie brach bewusstlos am Boden zusammen.
Ãber ihnen kauerte Andrew wie erstarrt und wusste vor lauter Angst nicht, was er tun sollte. Er konnte nicht sprechen, und seine Augen schienen vergessen zu haben, wie man blinzelte. Sein Verstand war zu jung, zu unfertig, um das zu verarbeiten, was er dort unten sah. Und dennoch rührte er sich nicht von der Stelle. Seine Augen blieben ans Loch gepresst.
In der nächsten Stunde wurde Andrew Zeuge, wie in seinem Vater ein Ungeheuer zum Leben erwachte.
Ray schleifte Emily zum Bett und fesselte sie. Dann nahm er ein langes Stück dicken schwarzen Faden und eine Nadel und begann, ihr sorgfältig den Mund zuzunähen. Erneut zog er das seltsame blutige Stück Fleisch aus der Tasche und steckte es seiner Mutter zwischen die Beine, bevor er sie auch dort unten zunähte. Dann schrieb er mit ihrem Blut etwas an die Wand. Die Buchstaben waren groà genug, dass auch Andrew sie lesen konnte: ER IST IN DIR DRIN .
Ray stellte das Bett mit seiner gefesselten Frau aufrecht hin und lehnte es gegen die Wand.
Tränen liefen Andrew übers Gesicht.
Aus dem Kasten oben auf dem Kleiderschrank holte Ray seine doppelläufige Flinte, setzte sich unmittelbar vor Emily auf den FuÃboden in den Schneidersitz, legte sich das Gewehr auf die Knie und wartete.
Es dauerte nicht lange. Wenige Minuten später schlug Emily die Augen auf. Sie versuchte zu schreien, aber zwischen ihren zugenähten Lippen drang fast kein Laut hervor. In fassungslosem Entsetzen sah sie ihrem Ehemann ins Gesicht.
Er lächelte.
»War es das, was du wolltest, Emily?« Sein Tonfall hatte sich verändert â er war heiter und verständnisvoll, als hätte er mit sich und der Welt Frieden geschlossen. »Das hier ist dein Werk. Ich hoffe, du verrottest dafür in der Hölle.« Ray legte den Kopf in den Nacken und legte sich den Lauf der Flinte unters Kinn. Sein Finger krümmte sich um den Abzug.
Ein heftiges Zucken ging durch Emilys Körper. Sie ahnte, was gleich passieren würde â und sie wusste, was Ray getan hatte. Er war wahnsinnig geworden. In ihr dämmerte die schreckliche Gewissheit, dass er nicht nur ihren Liebhaber getötet
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