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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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weshalb ein Entführer seine Geisel gefangen hält, ohne Geld von den Angehörigen zu erpressen«, fuhr Hunter fort. »Die zwei häufigsten sind Rachegelüste oder eine Obsession des Täters, die dazu führt, dass er sich nicht vom Opfer lösen kann. In neun von zehn Fällen fängt sie als eine Art platonische Beziehung an.« Hunter hielt inne. Sein Blick ruhte auf dem Porträt von Laura Mitchell. »Und fast immer ist oder wird diese Obsession irgendwann sexuell.«
    Captain Blake verlagerte das Gewicht von einem Fuß auf den anderen.
    Â»Aber irgendwas passt hier nicht«, fuhr Hunter fort.
    Â»Was meinen Sie damit?«
    Â»Eines zeigen die Fotos vom Leichenfundort ganz klar: Der Täter hat Laura nicht gefoltert.«
    Blake legte die Stirn in Falten.
    Â»Bei den meisten Entführungen mit anschließendem Mord spielen Folter, Demütigung und sadistischer sexueller Missbrauch eine große Rolle«, klärte Hunter sie auf. »Wenn es bei der Entführung nicht um Geld geht, gibt es, wenn – und falls – das Opfer später gefunden wird, fast immer klare Anzeichen dafür, dass es gefoltert und gequält wurde.« Er ging zur Magnetwand. »Als wir Laura Mitchell noch nicht identifiziert hatten, haben Garcia und ich uns jedes einzelne dieser Fotos ganz genau angesehen. Wir haben nach körperlichen Merkmalen gesucht, die uns einen Hinweis auf ihre Identität geben konnten.« Er schüttelte den Kopf. »Sie hatte nicht einen Kratzer am Leib. Die Leiche wies keinerlei Verletzungen auf – bis auf die Nadelstiche und die Schrammen, die sie sich mit den Fingernägeln selbst zugefügt hat.«
    Â»Wenn ihr Entführer auf Rache aus gewesen wäre«, nahm Garcia den Faden auf, »dann hätte er sie gefoltert, Captain. Wenn er von ihr besessen gewesen wäre, hätte er sie mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit vergewaltigt. In beiden Fällen hätte sie Verletzungen am Körper gehabt.«
    Â»Sobald der Täter Gewalt anwendet, um zu bekommen, was er will«, fuhr Hunter fort, »beginnt die Abwärtsspirale. Die Gewalt, die er über sein Opfer hat, und das Gefühl der Macht, das er dabei empfindet, wirken auf ihn wie Drogen. Die Gewalt eskaliert, die Vergewaltigungen werden brutaler, bis schließlich …« Er ließ den Rest des Satzes in der Luft hängen.
    Â»Aber hier liegt die Sache anders«, ergriff Garcia wieder das Wort. »Wir haben die Entführung, das Gefangenhal­ten des Opfers und den Mord – aber keine Gewaltanwendung.«
    Bei Garcias letzten Worten hätte sich Captain Blake fast verschluckt. »Keine Gewaltanwendung ?« Sie sah zu den Fotos an der Magnetwand und dann zu den beiden Detectives. »Er hat ihr eine Bombe in den Unterleib gesteckt und sie zugenäht – als sie noch am Leben war. Was zum Teufel bezeichnen Sie denn als Gewaltanwendung?«
    Â»Genau das ist der springende Punkt, Captain«, fiel Hunter ihr ins Wort. »Die Gewalt kam erst ganz zum Schluss, mit dem Mord selbst. Und wir sind uns alle darin einig, dass es ein zutiefst sadistischer Mord war. Aber das Fehlen jeglicher Verletzungen an Lauras Körper deutet darauf hin, dass der Täter ihr gegenüber nicht gewalttätig geworden ist, solange sie von ihm gefangen gehalten wurde. Es gab keine Eskalationskurve. Die Steigerung ging von Verzicht auf Gewaltanwendung direkt zu bestialischer Gewalt, in einem einzigen Schritt.«
    Â»Und was sagt uns das?«
    Hunter hielt ihrem Blick stand. »Dass wir es mit einer emotional extrem labilen, hochexplosiven Persönlichkeit zu tun haben. Wenn er die Kontrolle über sich verliert, verliert jemand anders sein Leben.«

    33
    Patrick Barlett war einer der einflussreichsten Finanzberater in ganz Kalifornien. Er leitete sein Unternehmen vom vierzigsten Stock des berühmten 777 Tower aus.
    Die Gestaltung des Empfangsbereichs war darauf ausgelegt, maximalen Eindruck zu schinden. Barlett schien der Ansicht zu sein, dass man Geld am besten mit Geld anlockte. Zumindest drängte sich Hunter diese Vermutung auf.
    Hinter dem halbrunden Tresen aus Stahl und grünem Glas standen zwei Empfangsdamen, die Hunter und Garcia mit synchronem Lächeln begrüßten. Hunter zeigte seine Marke vor, gab aber acht, dabei das Wort »Morddezernat« mit dem Daumen zu verdecken. Sofort verlor das Lächeln der beiden Damen etwas von seiner

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