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Der Knochenjäger

Titel: Der Knochenjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffery Deaver
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Registrierkarten ausfüllen? Ich möchte die Spuren ans PERT weiterleiten.«
    PERT stand für Physical Evidence Response Team, die Spurenauswertungsabteilung des FBI, zu deren Aufbau, so erinnerte sich Sachs, man Lincoln Rhyme engagiert hatte.
    »Klar. Mach' ich doch.«
    »Mallory, Kemple, bringen Sie die Beweismittel in ein Büro und besorgen Sie für unseren Gast ein paar Registrierkarten. Haben Sie einen Stift, Officer?«
    »Ja, hab' ich.«
    Sie folgte den beiden Männern in ein kleines Büro, drückte nervös auf ihrem Kugelschreiber herum, während sie davonstoben und mit einem Packen Karten zurückkehrten. Sie setzte sich hin und riß die Packung auf.
    Hinter ihr ertönte eine Stimme - Dellray, der wieder den Flippigen spielte, allem Anschein nach seine Lieblingsrolle. Auf der Fahrt hierher hatte ihn jemand als Chamäleon bezeichnet, und sie begriff allmählich, warum.
    »Wir nennen ihn alle den Herrenreiter. Nix da - nicht, was Sie denken. Weil er so auf den Vorschriften rumreitet Aber keine Sorge. Der is' ausgebuffter als alle anderen zusammen. Und was noch wichtig ist: Er kann Drähte bis nach Washington zieh´n, und genau das muß man in so ´nem Fall tun.« Dellray hielt sich die Zigarette unter die Nase und schnüffelte daran, als wäre es eine teure Zigarre. »Wissen Sie, Officer, Sie haben da was mächtig Schlaues gemacht.«
    »Was denn?«
    »Daß Sie raus sind aus dem Streifendienst. Das ist doch nichts.« Das schmale, glänzende Gesicht, das nur um die Augen ein paar Falten aufwies, wirkte zum erstenmal aufrichtig. »Die Presseabteilung ist das Beste, was Ihnen passieren kann. Dort können Sie sich nützlich machen, ohne sich dabei aufzureiben Denn darauf läuft's nämlich raus. Dieser Job reibt einen auf.«
    Eins der letzten Opfer, das Schneiders wahnwitzige Umtriebe forderten, war ein junger Mann namens Ortega, ein Geschäftsmann aus Mexiko-Stadt, der sich in Manhattan niedergelassen hatte, nachdem auf Grund der politischen Unruhen in seiner Heimat (der allseits bekannte Populistenaufstand, der ein Jahr zuvor ausgebrochen war) jeglicher Handel zum Erliegen gekommen war. Der ehrgeizige Unternehmer weilte kaum eine Woche in der Stadt, als er spurlos verschwand. Bald darauf erfuhr die Obrigkeit, daß er letztmals vor einer Taverne an der West Side gesehen worden war, worauf man augenblicklich argwöhnte, daß auch er Schneider zum Opfer gefallen sein konnte. Dies war, wie sich herausstellen sollte, leider der Fall.
    Der Knochensammler fuhr eine Viertelstunde die Straßen rund um das Universitätsviertel am Washington Square ab. Jede Menge Menschen unterwegs. Aber hauptsächlich junge Leute. Studenten, die in den Semesterferien Kurse belegt hatten. Skateboardfahrer. Rundum Trubel und ausgelassenes Treiben. Straßenmusikanten, Jongleure, Akrobaten. Es erinnerte ihn an die »Museen« drunten an der Bowery, die im 19. Jahrhundert so beliebt gewesen waren. Selbstverständlich waren das keine Museen im herkömmlichen Sinn gewesen, sondern Tingeltangelshows, Monstrositätenkabinette, obskure Läden und fliegende Händler, bei denen man buchstäblich alles kaufen konnte, von Aktpostkarten bis zu echten Splittern vom Kreuz des Herrn.
    Ein-, zweimal fuhr er langsamer, aber offenbar brauchte hier niemand ein Taxi, oder keiner konnte sich eins leisten. Er steuerte gen Süden.
    Schneider band dem unglücklichen Ortega Ziegelsteine an die Füße und wälzte ihn in das brackige Wasser unter einem Pier am Hudson River, auf daß die Fische den Leichnam bis auf die blanken Knochen abnagten. Zwei Wochen nach Senor Ortegas Verschwinden wurde die Leiche gefunden, doch ließ sich nicht mehr feststellen, ob das unselige Opfer bereits tot oder noch im Vollbesitz seiner Sinne gewesen war, als es ins Wasser geworfen wurde. Doch man vermutete, daß letzteres der Fall war, denn Schneider hatte sein Opfer grausamerweise gerade so festgebunden, daß sein Gesicht sich wenige Zentimeter unter dem Wasserspiegel befunden haben mußte, und ohne jeden Zweifel schlug Senor Ortega wild um sich, während er zur rettenden Atemluft hinaufblickte.
    Der Knochensammler sah einen ausgezehrten jungen Mann am Bordstein stehen. Aids, dachte er. Aber seine Knochen waren heil - und so klar erkennbar. Seine Knochen waren unvergänglich ... Der Mann wollte kein Taxi. Der Knochensammler fuhr weiter und beobachtete die dürre Gestalt noch eine Zeitlang im Rückspiegel.
    Im letzten Moment sah er den älteren Mann, der vor ihm auf die Straße trat und ihn

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