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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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den sommerlichen Ausgrabungen: kein Sex auf den Feldbetten. Jetzt blieben die Schlafstätten intakt.
    Die Regel Nummer zwei war ebenso einfach, hatte aber einen ernsteren Hintergrund: Lasst euch nicht festnehmen - nicht wegen zu schnellen Fahrens, nicht wegen Trunkenheit, Schlägereien, Störung der öffentlichen Ordnung oder Spuckens auf den Bürgersteig; wem das passiert, der fliegt. Wir standen durch das steigende Wasser des Flusses bereits unter einem solchen Druck, dass wir es uns nicht leisten konnten, alles durch Konflikte mit den örtlichen Behörden noch komplizierter zu machen. Die Regel Nummer zwei musste ich nur ein einziges Mal anwenden, und glücklicherweise brauchte ich nie wegen einer Übertretung der Regel Nummer eins einzuschreiten.
    Trotz der Maschinen zur Erdbewegung waren die Ausgrabungen anstrengende Arbeit. Wir kamen jetzt zwar viel schneller voran, aber immer noch mussten wir eine Menge Erde mit der Hand abtragen. Um die Mitarbeiter bei Laune zu halten, inszenierte ich Spiele und Wettbewerbe - ich zeigte beispielsweise auf eine Astgabel an einem Baum, der bald versinken würde, und setzte einen Preis für denjenigen aus, der sie mit den meisten Schaufeln voller Erde traf. Es mag verrückt klingen, aber solche Aktionen hielten die Arbeitsmoral aufrecht. Im Sommer war es anstrengend und heiß, aber die Arbeit machte auch Spaß.
    Außerdem war das, war wir taten, eine wissenschaftliche Offenbarung. Als die Zahl der ausgegrabenen Gräber in die Hunderte ging, kristallisierte sich aus dem Prärieboden allmählich ein höchst interessantes Bild heraus. Zum ersten Mal, seit in den großen Ebenen des Mittelwestens archäologische Arbeiten stattfanden, besaßen wir umfangreiche, gut dokumentierte Funde von Skelettresten eines ganzen Stammes von der Geburt bis zum hohen Alter. Dabei erkannten wir, dass die Arikara ein hartes, gewalttätiges und häufig sehr kurzes Leben geführt hatten. Wir fanden eine erstaunliche Zahl kleiner Gräber mit den sterblichen Überresten von Säuglingen und Kindern. Bei der statistischen Auswertung stellte sich heraus, dass fast die Hälfte der Bevölkerung vor dem zweiten Geburtstag gestorben war, und bis zum sechsten Lebensjahr lag dieser Anteil bereits bei 55 Prozent. Dann aber war eine gewisse Grenze erreicht: Im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren gab es nur sehr wenige Todesfälle - wer die frühe Kindheit überlebte, schaffte es offensichtlich in der Regel auch bis zur Pubertät. Ungefähr vom 16. Lebensjahr an wurde das Leben dann wieder gefährlich. Die Frauen bekamen Kinder, die Männer jagten Büffel und zogen in den Krieg. Es war ein Leben voller Gewalt und Gefahren.
    Die Arikara selbst waren sesshaft, ganz im Gegensatz zu ihren Nachbarn, den Sioux, von denen sie häufig angegriffen wurden. Viele männliche Skelette trugen insbesondere an Becken und Brustkorb tiefe Narben von Verletzungen, die von Pfeilen herrührten. Vielfach waren die Pfeilspitzen tief in die Knochen eingedrungen. Die Wunden waren häufig tödlich, in manchen Fällen war der Knochen aber auch um die steinerne Pfeilspitze herumgewachsen; solche Krieger hatten also jahrelang mit einer Pfeilspitze der Sioux im Leib weitergelebt.
    Manche Schädel von Männern und Frauen waren zertrümmert, ein Indiz für die grausige Wirksamkeit von Kriegsgeräten aus Stein. Andere Schädel trugen Schnittspuren; am auffälligsten waren sie meist am Haaransatz über der Stirn, wo beim Abziehen des Skalps der erste Schnitt gemacht wurde. Bei manchen dieser skalpierten Opfer steckten noch kleine Flintsteinstücke im Schädel. In einigen gruseligen Fällen gab es sogar Anzeichen dafür, dass der Schädel geheilt war - der Betreffende hatte das entsetzliche Ereignis überlebt und konnte später davon berichten.
    Eines jedoch fanden wir bei Sully nicht: Gewehrkugeln. Das Dorf wurde um 1750 zum letzten Mal aufgegeben. Zu jener Zeit waren die Weißen und ihre Waffen kaum mehr als eine weit entfernte Kuriosität. Das jedoch sollte sich in dem kurzen Zeitraum von nur 50 Jahren tief greifend ändern - mit tragischen Folgen für die Arikara.
    Die Ausgrabungsstätte von Sully war das größte Dorf der Arikara. Das bitterste Schicksal jedoch erlitt die rund 300 Kilometer stromaufwärts gelegene Stätte von Leavenworth. Dort sammelten sich die Arikara um 1800 vor ihrer letzten Schlacht gegen die Sioux und die Weißen sowie gegen tödliche Feinde, die sie noch nicht einmal sehen konnten. Zwölf Arikara-Sippen schlossen sich

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