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Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt

Titel: Der Knochenleser - Der Gruender der legendaeren Body Farm erzaehlt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bill Bass Jon Jefferson
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hier zusammen, weil sie sich in größerer Anzahl sicherer fühlten. Knapp südlich der heutigen Grenze von North Dakota bauten sie auf der ersten Terrasse des Missouri im Abstand von wenigen hundert Metern zwei Dörfer, die durch einen hübschen kleinen Wasserlauf getrennt waren.
    Dort trafen Lewis und Clark mit den Arikara zusammen und gerieten mit ihnen in Streit. Dort setzten skrupellose Agenten der Pelzhandelsgesellschaften biologische Kampfstoffe ein: Aus Saint Louis brachten sie Decken mit, die absichtlich mit Pockenerregern verunreinigt waren, sodass die Indianer, deren Immunsystem darauf nicht vorbereitet war, dieser Krankheit reihenweise zum Opfer fielen. Und dort griff Colonel Henry Leavenworth am 9. August 1823 mit einer Streitmacht von fast 300 Soldaten der US-Armee, Milizionären aus Missouri und Sioux-Kriegern die Dörfer mit Gewehren, Pfeil und Bogen, Knüppeln und Kanonenbooten an. Am Abend des 14. August flüchteten die überlebenden Arikara heimlich aus ihren zerstörten Dörfern.
     
     
    Im Sommer 1965 war der Wasserstand des Lake Oahe auf mehr als 450 Meter über dem Meeresspiegel angestiegen und lag damit über 30 Meter höher als das natürliche Niveau des Flusses. Die beiden Arikara-Dörfer bei Leavenworth waren im Wasser verschwunden. Glücklicherweise lagen die beiden wichtigsten Friedhöfe auf der Terrasse über den Dörfern und damit fast 15 Meter höher. Es blieb uns also noch Zeit für weitere Ausgrabungen, wir standen allerdings unter einem unbarmherzigen Druck.
    Im Juni 1966 jedoch holte uns das Wasser ein: Einige Gräber liefen voll, während wir dort noch mit Grabungen beschäftigt waren - was dem Ausdruck feuchtes Grab eine ganz neue Bedeutung gab. Mittlerweile hatten wir an der Stätte von Leavenworth fast 300 Arikara-Gräber gefunden und ausgegraben. Wir arbeiteten weiter und zogen immer knapper vor dem Wasser bergauf. Aber irgendwann fanden wir nichts mehr. Wir zogen mit dem schweren Gerät lange Gräben und entfernten uns dabei immer weiter vom eigentlichen Friedhofsgebiet. Dann griffen wir sogar auf die altmodische Methode zurück und gruben mit der Hand. Aber es war nichts mehr zu finden. Am 18. Juli 1966 traten wir die Leavenworth-Stätte an den Fluss ab, wie die Arikara es 143 Jahre zuvor getan hatten.
    Viele Jahre später bezeichnete mich ein Aktivist der Indianer in einem Zeitungsinterview als »Indianergrabräuber Nummer eins«. Ich vermute, dass er Recht hatte. Im Laufe von 14 Jahren hatte ich auf den großen Ebenen zwischen vier- und fünftausend indianische Begräbnisstätten ausgegraben, nach meiner Kenntnis mehr als jeder andere auf der Welt.
    Dennoch hatte ich in diesen 14 Jahren nie auch nur einen einzigen Zusammenstoß mit den amerikanischen Ureinwohnern. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens arbeitete meine Frau Ann, eine Ernährungswissenschaftlerin, im Sommer regelmäßig daran mit, die Ernährung der Sioux-Indianer in der Standing Rock Reservation in South Dakota zu verbessern. Sie schrieb ihre Doktorarbeit über die große Diabeteshäufigkeit bei den Sioux und wurde von ihnen wie eine Freundin behandelt. Davon profitierte ich als ihr Ehemann. Und zweitens half ich den heutigen Sioux, ihre Rechnung mit den alten Arikara zu begleichen: Durch mich konnten sie »endlich abrechnen«, wie sie es nannten.
    Aber gegen Ende der sechziger Jahre zeichnete sich ein deutlicher Wandel ab. Der Lake Oahe füllte sich, und die Ü bersichtsuntersuchungen der Smithsonian Institution in den Flussniederungen wurden zurückgefahren. Bevor der Stausee anzusteigen begann, hatte man mehrere hundert archäologische Stätten identifiziert, aber nur ein geringer Bruchteil davon wurde überhaupt ausgegraben. Für mehr fehlten Zeit, Geld und Arbeitskräfte.
    Aber es war nicht nur ein Wettlauf mit dem steigenden Wasser; wir schwammen auch gegen eine neue kulturelle Strömung. Ende der sechziger Jahre - es war die Zeit der Bürgerrechtsbewegung, des Vietnamkrieges und großer gesellschaftlicher Umwälzungen - erhoben die amerikanischen Ureinwohner auch neue Ansprüche auf ihre Kultur, ihr historisches Erbe und die sterblichen Überreste ihrer Vorfahren. Hier braute sich offensichtlich ein großer Konflikt zwischen Wissenschaft und kulturellen Werten zusammen. Bob Dylans volkstümliche Hymnen der sechziger Jahre sprachen von veränderlichen Zeiten und steigendem Wasser, und sie enthielten den Rat: » You better start swimmin’ or you’ll sink like a stone.« Als das schlammige Wasser des

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