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Der Knochenmönch

Der Knochenmönch

Titel: Der Knochenmönch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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modrig. Sie schien den Geruch der Jahrhunderte in sich aufgesogen zu haben.
    Die beiden Männer erreichten eine Treppe. Auch sie war nicht normal.
    Es waren schmale, unterschiedlich hohe Stufen, die im Laufe der Zeit rissig geworden waren.
    Wer diese Treppe hinabging, mußte achtgeben.
    Beim letzten Besuch hatten sie eine Fackel getragen. Darauf verzichteten sie jetzt. Sie verließen sich auf die Lampe, und sie tauchten immer tiefer in den Schoß der Erde. Wo er endete, lag das Verlies.
    Sie hörten sich atmen. Ihre Tritte hinterließen tappende und schleifende Geräusche. Der helle Lichtstrahl der Lampe tanzte im Rhythmus der Bewegungen Albertis, denn er schaffte es nicht, normal und gerade zu gehen.
    Und dann sahen sie die Tür.
    Noch auf der Treppe blieben sie stehen. Alberti bewegte seine Hand. Er zeichnete mit dem Lichtkreis den Umriß der Tür und den der Klappe nach. Dort blieb der Kegel ruhen.
    Wallraven war hinter seinem Partner stehengeblieben. »Ob er schon erwacht ist?«
    »Keine Ahnung.«
    »Man hört nichts.«
    »Verginius wird sich hüten. Es wird im Prinzip nur das geschehen, was er will.«
    »Ist er uns über?«
    »Er muß uns dankbar sein.«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage.«
    Alberti lachte leise. »Ich weiß es nicht, doch ich denke, daß wir bald mehr wissen.« Er hatte das letzte Wort kaum gesprochen, als er sich in Bewegung setzte.
    Wallraven folgte ihm. Sein Herz klopfte stärker als sonst. Nicht daß er unbedingt Angst gehabt hätte, aber er wußte, daß diese Nacht die Vorentscheidung brachte. Wenn Verginius lebte, konnte er von seinem Versteck aus durch den Tunnel bis hinein ins Zentrum gelangen, bis an die Quelle der Macht.
    Beide hatten ihre Schritte dicht vor der Tür gestoppt. »Der Riegel muß weg«, flüsterte Alberti.
    Wallraven nickte. Er ärgerte sich, daß seine Finger zitterten, als er das staubige Stück Holz zur Seite zerrte, so daß sie endlich an die Klappe herankamen.
    »Öffnen!«
    Wallraven wartete noch. »Wie fühlst du dich?«
    Alberti verzog das Gesicht. Die Haut sah aus, als wäre sie mit Staub gepudert worden. Ein Geruch nach Verwesung umflorte sie. »Frag dich selbst, dann kennst du die Antwort.«
    »Was tun wir, wenn er erwacht ist?«
    »Wir freuen uns.«
    »Verdammt, du hast Nerven.«
    »Mach endlich.«
    Wallraven stellte den Riegel hochkant hin, so konnte er an die Klappe gelangen und sie mit beiden Händen aufziehen.
    Zwei Augenpaare schauten gespannt zu, wie sie langsam nach unten kippte. Das Loch in der Tür. Die freie Sicht!
    Wallraven schaute zuerst. Ein kurzer Blick, dann noch einer, und plötzlich zuckte er zurück.
    »Was ist denn?« zischte Alberti.
    »Sieh selbst nach!«
    Der kleinere Mann stellte sich auf die Zehenspitzen, um das Verlies überblicken zu können. Auch er sah nichts anderes als sein Partner, nur gab er einen anderen Kommentar ab.
    »Das – das – ist fast unmöglich, das kann nicht wahr sein! Verginius lebt…«
    ***
    »Ja, er lebt«, sagte Wallraven, der hinter Alberti stand. »Ich habe es auch gesehen.«
    Alberti gab keine Antwort. Wie immer, wenn er sehr aufgeregt war, leckte er seine Lippen. Diesmal hatte er das Gefühl, als hätte sich sein Speichel verändert, als wäre er dick und träge geworden wie zu kaltes Öl.
    Er konzentrierte sich auf die Gestalt, die zwar lebte, aber ihren Platz im Sessel nicht verlassen hatte. Das Licht der Kerze umschimmerte sie, es wirkte seltsam fahl, als wären Teile ihrer Helligkeit durch den unsichtbaren Modergeruch, der den Knochenmönch umwehte, verschluckt worden. Er war da, er saß da, und er war von einer Aura umgeben, die zu ihm paßte.
    Sie war auch für Alberti fremd, denn bei den vorherigen Besuchen hatte er sie nie gespürt. Sie war anders und viel dichter, sie hatte sich erst jetzt gebildet, eben weil diese Gestalt zu einem unheiligen Leben erwacht war.
    Sie saß in den alten Sessel hineingedrückt, aber sie bewegte sich dabei.
    Es war besonders gut an den mit dünner, ledriger Haut überzogenen Händen zu erkennen, deren Finger gekrümmt waren und sich wie harte Stifte mit ihren Spitzen in die Lehnen gruben. Der Knochenmönch trug ein weites Gewand. Er hatte die Kapuze über den kahlen Schädel gestreift, und sein Gesicht war der Tür zugedreht, damit er jeden Besucher sofort sehen konnte.
    Auch Alberti schaute ihn an. Je länger er ihn sah, um so mehr verdichtete sich die Gänsehaut auf seinem Rücken. Er wußte nicht, was er denken sollte. Ihm war nur klar, daß sie es

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