Der Knochenmönch
ist deine Sicherheit, über Dinge zu sprechen, die noch nicht so sicher sind.«
Alberti hob die rechte Augenbraue. Das sah gekonnt aus und wirkte wie einstudiert. »Traust du mir etwa nicht?«
»Das habe ich nicht gesagt.«
Der Mann mit der Halbglatze lächelte. »Du möchtest aber gern einen Beweis haben, oder?«
»Wenn du so willst, ja.«
Alberti schaute für einen Moment ins Leere. »Wir könnten es ja mal versuchen.«
»Was meinst du damit?«
»Uns überzeugen, ob ich recht habe. Er kann nicht erwachen und sofort losgehen. Er braucht eine Weile, und ich denke, daß er schon damit begonnen hat.«
»Sollen wir jetzt in das Verlies hinein?«
»Würde es dich stören?«
»Überhaupt nicht.« Wallraven schaute auf die Uhr. »Du bist manchmal schon ein seltsamer Mensch, aber ich gebe dir recht, ich möchte es genau wissen. Fahren wir hin.« Alberti nickte nur, als wäre sein Vorschlag der normalste der Welt. Dann winkte er einen Ober herbei, bat um die Rechnung.
Er übernahm sie auf sein Zimmer, unterschrieb und legte ein Trinkgeld in die Serviette. »Wir können«, sagte er nur.
Die beiden Männer erhoben sich. Wallraven warf noch einen letzten Blick durch eines der Fenster auf die Stadt Rom. Selbst die Spanische Treppe konnte er erkennen, denn auch sie lag eingebettet in einen matten Lichterglanz.
Ihre Mäntel holten sie noch aus dem Zimmer, bevor sie mit dem Lift nach unten fuhren. Niemand sah ihnen an, mit welch einem Auftrag sie unterwegs waren. Sie wirkten wie zwei Geschäftsleute, die gut gegessen und getrunken hatten und nun die Nacht zum Tage machen und sich noch einmal richtig amüsieren wollten.
Es war kein Problem für sie, ein Taxi zu finden. Der Wagen wurde vom Portier herangewinkt. Wie immer wünschten sie keine Gespräche mit dem Fahrer, nachdem sie ihm das Ziel genannt hatten.
Beide Männer gingen auf Nummer Sicher. Sie ließen sich nicht direkt dorthin bringen, von wo aus sie ihr Ziel betreten konnten. Etwas weiter entfernt, im Schein einer Straßenlaterne, ließen sie den Fahrer halten, der sein Geld erhielt und schnell davonfuhr.
Im böigen Wind blieben Alberti und Wallraven zurück. Jenseits des Gehsteigs lag ein größeres Haus, dessen Fassade sich hinter einem Eisenzaun abmalte. Beide wußten, daß dort eine Institution untergebracht war, die ebenfalls für den Vatikan arbeitete. Sie allerdings hatte mehr mit der Verwaltung zu tun.
Ihr Ziel lag woanders.
Ein altes Gebäude, das eine Renovierung sehr nötig gehabt hätte. Es war so etwas wie ein Armenhaus, denn hier fanden diejenigen Personen Unterkunft und Essen, die kein Dach über dem Kopf hatten. Nonnen und Brüder kümmerten sich um die Ärmsten der Armen, und zwei Männer wie Alberti und Wallraven fielen natürlich auf.
Sie allerdings hatten einen Weg gefunden, stets willkommen zu sein. Der Weg hieß Geld.
Sie nannten es eine Spende geben, und sie hatten den Nonnen und Brüdern erklärt, daß sie immer über ihr schlechtes Gewissen nachdenken mußten und deshalb etwas tun wollten. Aus diesem Grunde waren sie zu jeder Tages- und Nachtzeit willkommen.
Man mußte sich schon auskennen, um zu wissen, was sich hinter der abgeblätterten Fassade verbarg. Auch in der Nacht waren die meisten Fenster dunkel. Wenn Licht schimmerte, dann nur schwach, aber die breite Tür war nie geschlossen.
Alberti stieß den rechten Flügel auf, nachdem er und Wallraven die ausgetretenen Steinstufen hinter sich gelassen hatten. Beide blieben für einen Moment am Beginn des breiten Flurs stehen und schauten gegen das Licht der Lampe, das sich auf den gelbbraunen Steinfliesen verteilte.
Dicht hinter dem Eingang, an der rechten Seite des Flurs, saß immer die Person, die Bereitschaftsdienst hatte. Manchmal ein Bruder, manchmal eine Schwester. In der Nacht war es zumeist ein Mönch, wie auch heute.
Er hatte gehört, daß jemand das Haus betreten hatte, und verließ sein Kabuff.
Ein kleiner Mann stand vor den beiden Besuchern und strahlte sie an.
»Das ist aber eine Überraschung mitten in der Nacht«, sagte er.
»Trotzdem, herzlich willkommen.« Er schüttelte beiden Besuchern die Hände. Ihm war anzusehen, daß er sich tatsächlich freute.
»Wir mußten einfach mal wieder vorbeikommen, auch wenn wir nur kurze Zeit hier in Rom sind.«
»Das freut uns immer.« Der Mönch drehte sich und wies in die Runde.
»Wenn Sie sich umschauen, werden Sie feststellen, daß sich leider nicht viel verändert hat. Es fehlt wirklich am Geld, um hier anständig
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