Der Köder
Männern und Frauen,
die von den Nazis redeten, die sie nach dem Krieg gejagt und
umgelegt hatten. Keine offiziellen Sachen wie von diesem Simon
Wie-heißt-er-noch…»
«Wiesenthal?»
«Ja. Genau der. Aber so etwas war es eben nicht. Dies waren
Gruppen im Untergrund, kleine Todesschwadronen, und sie sagten,
es gebe viele von ihnen.»
«Hast du ihnen geglaubt?», fragte Magozzi.
«Ich weiß nicht. Zuerst dachte ich, es wäre nur
sensationslüsterner Mist, den sie zwischen die Eigenwerbung
schalten, um die Zuschauer bei der Stange zu halten. Aber diese
Leute hatten Listen mit den Namen derer, die sie angeblich
umgebracht hatten, und sie wussten Einzelheiten über ungelöste
Fälle, die von den lokalen Dienststellen zurückgehalten worden
waren. Als die Sendung vorbei war, standen mir die Nackenhaare zu Berge.»
KAPITEL 31
Als Langer und McLaren vom Mittagessen zurückkamen, setzten
sich Magozzi und Gino mit ihnen zusammen und legten ihnen ihre
Überlegungen dar.
Langer merkte, dass er sich schwer tat – vielleicht, weil er Jude war, vielleicht aber auch, weil es so verdammt einleuchtend war,
dass er es nicht wegdiskutieren konnte. Die Vorstellung von Morey Gilbert als Auftragskiller hatte genügend Lücken, um in ihm die
Hoffnung zu wecken, dass sie nicht wahr wäre. Morey als Nazi-
Killer schloss die meisten dieser Lücken.
Während der ersten dreißig Jahre seines Lebens hatte Langer
aufmerksam den Geschichten gelauscht, die seine Mutter nie
erzählte, hatte versucht, die leeren Orte zu sehen, die in ihren
Blicken lebten, und sich gewünscht, dass sie ihm die schrecklichen Geheimnisse anvertrauen möge, die sie in sich trug. Alzheimer hatte schließlich ihre Zunge gelöst und seinen Wunsch erfüllt. In ihren letzten Monaten der sporadischen und zeitreisenden Erinnerungen
vergaß sie, dass er ihr Sohn war, und entsann sich stattdessen des Grauens ihrer elf Monate in Dachau vor sechzig Jahren.
Überlege dir gut, was du dir wünschst.
Die Krankheit hatte zum endgültigen Schlag ausgeholt und
sämtliche Erinnerungen außer denen an Dachau ausgelöscht. Ihr
Verstand verbrachte seine letzten funktionsfähigen Augenblicke auf einer schmalen Pritsche aus splitterndem Holz und in stinkender
Fäulnis, die den Geist zersetzte. Auf dem Stuhl an ihrem Bett konnte Langer nur noch weinen.
Morey Gilbert, Rose Kleber und Ben Schuler hatten diese
Erfahrung mit ihr geteilt und ihr Schweigen bewahrt wie sie, aber vielleicht besaßen Gerechtigkeit und Moral für sie andere Parameter.
Er warf einen Blick hinüber zu McLaren, der mit verschränkten
Armen an seinem Schreibtisch saß. Sein Gesicht wirkte
verschlossen, wütend und traurig zugleich. Auftragsmörder, Nazi-
Killer, für ihn war das am Ende kein großer Unterschied. McLaren
hatte Morey Gilbert vergöttert. Der Gedanke, dass er aus welchem
Grund auch immer jemanden getötet hatte, war ihm unbegreiflich.
Aber Langer glaubte es jetzt. Er verstand sogar, was die Gejagten veranlassen konnte, zu Jägern zu werden, hatte es in dem Moment
verstanden, als er mit seiner Mutter Dachau durchlebte. Und es
wurde ihm plötzlich bewusst, dass diese Fähigkeit zu verstehen
wahrscheinlich sein Untergang gewesen war.
Er sah zu Magozzi auf. «Wenn ihr Recht habt, dann müssen
McLaren und ich, um unseren Fall abzuschließen, nun beweisen,
dass ein Mann, den wir sehr mochten, Arien Fischer getötet hat.»
«So ungefähr sieht's aus. Und Gino und ich brauchen diese
Aufklärung ebenfalls, weil das, worin Morey und seine Freunde
verwickelt waren, uns sicherlich Hinweise darauf gibt, wer sie
getötet hat.»
«Irgendwie bearbeiten wir jetzt also denselben Fall.»
«Der Meinung sind wir auch.»
McLaren hing über seinem Tisch, den Kopf in seine Arme
gebettet. Als er ihn hob, kam er Magozzi vor wie ein Junge im
Kindergarten, der nicht aus seinem Mittagsschläfchen aufwachen
mochte. «Ich weiß nicht, was ich mit alldem anfangen soll», sagte er.
«Mein halbes Leben habe ich damit verbracht, die bösen Buben zu
fangen, und ganz plötzlich kann ich nicht mehr sagen, wer eigentlich wer ist. Für mich war Morey Gilbert ein Idol.»
«Das war er für viele», erinnerte ihn Langer. «Er hat eine Menge
Leben gerettet, Johnny.»
«Genau. Unter der Woche rettete er Leben, an den Wochenenden
zog er los und brachte Menschen um. Damit habe ich ein kleines
Problem. Wie viele Menschenleben muss man retten, um das Konto
auszugleichen, das auf der anderen
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