Der Köder
zu einem
Pferdeschwanz zurückgebunden. Wie immer trug sie ein schwarzes
T-Shirt und Jeans. Die Derringer steckte in einem Knöchelhalfter, und ein Mehlfleck zierte ihr missmutiges Gesicht. «Charlie, komm
rein!»
Charlie rührte sich nicht. Also hob Gino ihn hoch und trug ihn
nach drinnen.
«Das war ja ekelhaft», sagte Magozzi.
«Hüte deine Zunge. Das war reine, vierbeinige Zuneigung.
Dieser Hund liebt mich über alles.»
«Eben das stört mich ja», sagte Grace leicht gereizt, schloss die Tür und aktivierte die Alarmanlage.
«Denkst du, es stört nur dich?» Magozzi gab sich alle Mühe,
nicht gekränkt auszusehen. «Zwei Wochen hat es gedauert, bis dieser Hund aus seinem Versteck gekommen ist und mich an der Tür
begrüßt hat. Und schon beim ersten Mal, als Gino hier auftauchte, warf er ihn vor Begeisterung fast um.»
«Ich sondere eben Hundepheromone ab», sagte Gino.
Wie zur Entschuldigung drückte Charlie sich jetzt an Magozzis
Bein. «Lump», schimpfte Magozzi mit ihm und schaffte es, fast eine volle Sekunde durchzuhalten, bevor er sich auf ein Knie niederließ und sich freudig damit zufrieden gab, nur als Zweiter begrüßt zu
werden.
Grace stand kopfschüttelnd da, die Hände in den Hüften. «Was
ist es nur mit Männern und Hunden?»
«Ähnliche Moral?», fragte Gino und wurde dafür mit einem ganz
leisen Lächeln belohnt, bevor Grace wieder aufs Geschäft
umschaltete und Magozzi die Hand entgegenstreckte.
«Hast du Arien Fischers Bilder mitgebracht?»
«Hier.» Magozzi kam hoch und reichte ihr einen dünnen
Schnellhefter. «Tatortfoto von den Gleisen und ein Foto aus dem
Leichenschauhaus.»
Grace öffnete den Hefter und warf einen schnellen Blick hinein.
«Die müssten eigentlich reichen, aber ihr seid euch darüber im
Klaren, dass es ein Schuss ins Blaue ist? Auch wenn Arien Fischer Nazi war, muss es keine Fotodokumentation im Netz geben. Es
existieren zum Beispiel nicht viele Fotos von Lagerwachen in
niedrigen Dienstgraden, weil sie eben nicht die großen Tiere waren, nach denen die Leute gesucht haben, die Kriegsverbrecher entlarven wollten. Wenn er aber Offizier gewesen ist, hätten wir eine Chance.»
Magozzi reichte ihr eine weitere Akte. «Ich habe Fotos von den
Opfern in Übersee mitgebracht, die uns Interpol gefaxt hat, aber die Qualität ist miserabel. Es waren von vornherein nur Fotokopien, und du hattest ja gesagt, du wolltest Originale.»
Grace warf einen Blick auf die Fotos und rümpfte die Nase.
Magozzi fand, dass er noch nie ein niedlicheres Gesicht gesehen
hatte. «Also fangen wir mit Fischer an, und wenn wir keine Treffer bekommen, kann ich es mit den Fotokopien versuchen. Das
Programm ist langsam. Ich werde es gleich starten.»
Sie folgten ihr bis zur Tür ihres Büros, gingen aber nicht hinein.
Charlie und Magozzi hatten des Öfteren gesehen, wie sie mit hoher Geschwindigkeit auf ihrem Stuhl von einem Ende des Raums zum
anderen rollte, um an mehr als einem Computer zu arbeiten, und sie waren klug genug, ihr nicht in die Quere zu kommen. Gino mied
ohnehin kleine Räume mit Computern, weil er davon überzeugt war,
dass die Geräte eine Strahlung abgaben, die schädliche
Auswirkungen auf ihm besonders teure Körperteile haben könnten.
Grace setzte sich vor einen großen Computer, der Gino besonders
gefährlich vorkam, und stellte verwirrende Dinge mit einer Maus an, die er gerade noch identifizieren konnte; danach aber mit einer
anderen Maschine, die ihm gar nichts sagte. «Was ist denn das?
Sieht aus wie 'ne winzige Mangel.»
«Was in aller Welt ist eine Mangel?», fragte Grace, ohne den
Blick zu heben.
«Sie wissen doch. Eine von diesen Bügelmaschinen. An einem
Ende schiebt man zerknitterte Sachen rein, und am anderen kommen
sie platt gebügelt wieder raus. Laken und Tischdecken und so Zeug.
Ist irgendwie cool, muss ich schon sagen.»
«Das ist ein Scanner, Gino», informierte ihn Magozzi.
«Und was ist ein Scanner?»
Grace schickte einen kurzen Blick zu ihnen hinüber. «Wollt ihr
beide wissen, was ich hier mache, oder nicht?»
«Ohne Frage», sagte Gino.
«Ich habe gerade Arien Fischers Foto in das neue Gesichts-
Erkennungsprogramm gescannt, an dem ich arbeite.»
«So eins haben wir doch auch», sagte Gino mit einem Seitenblick
auf Magozzi. «Haben wir nicht auch so eins?»
«Kann ich mir nicht vorstellen.»
Grace verdrehte die Augen und tippte weiter. «Wenn ihr eins
hättet, was nicht der Fall ist, dann wäre es die
Weitere Kostenlose Bücher