Der Köder
jemanden hätte umbringen können.
Außerdem, nur weil sie in diesen Städten gewesen sind, müssen sie nicht gleich jemanden ermordet haben. Angenommen, ich reise
Freitag nach Chicago. Wie groß sind eurer Meinung nach die
Chancen, dass freitags abends in Chicago jemand umgebracht wird?
Aber das bedeutet beileibe nicht, dass ich der Täter bin.»
Magozzi lächelte vorsichtig, um McLaren zu besänftigen, der
offenbar mehr an Morey gehangen hatte, als ihm klar war.
«Vielleicht nicht eine Reise und ein Mord, aber sechs? Wir müssen dem nachgehen, McLaren.»
Das nahm McLaren den Wind aus den Segeln, wenn auch nur für
einen Augenblick. «Das ist verrückt.» Hilflos bewegte er die Arme auf und ab. «Es ergibt einfach keinen Sinn. Die Interpol-Morde
reichen wie lange zurück, fünfzehn Jahre? Das heißt, die Leute
waren über siebzig, als sie den Ersten abgeknallt haben. Wer wartet darauf, so alt zu werden, bevor er zum Auftragskiller wird?»
«Vielleicht war es nicht ihr erster Mord, McLaren», sagte
Magozzi, und alle verstummten. «Grace sagt, dass sie vor jenem Jahr eine Menge anderer Reisen unternommen haben und seither noch
viele mehr. Manche nach Übersee, einige im Inland, andere nach
Mexiko und Kanada – alles Kurztrips, zwei sogar in weniger als
vierundzwanzig Stunden. Grace faxt uns, was sie bisher
herausgefunden hat, und dann telefonieren wir rum, ob sich diese
Reisen ebenfalls mit Morden in Verbindung bringen lassen.»
«Himmel», sagte Gino. «Wie viele Reisen gibt es denn noch?»
«Außer den Interpol-Städten?» Magozzi atmete hörbar aus.
«Über ein Dutzend Reisen im letzten Jahrzehnt, die alle drei
gemeinsam unternommen haben. Grace sucht noch weiter.
Computeraufzeichnungen reichen nur eine gewisse Zeit zurück, und
deswegen werden wir wohl die vollständige Anzahl nie erfahren.»
Langer lehnte sich zurück und sah erschöpft an die Decke. «Ich
weiß nicht. Keiner von denen war reich. Wo ist das Geld?»
Magozzi zuckte die Achseln. «Im Ausland, Konten in der
Schweiz, in Rose Klebers Garten vergraben, wer weiß? Dass wir es
nicht gefunden haben, bedeutet noch lange nicht, dass es nicht
existiert.»
«Okay, schön.» McLaren verschränkte gereizt die Arme. «Ich
spiele dein albernes Spiel mit. Du meinst, Morey und seine Freunde waren Mörder, weil sie in denselben Städten waren, in denen sich
unsere Interpol-Morde ereignet haben. Nun, die Interpol-Opfer
wurden alle mit derselben 45er getötet, mit dem auch auf Arien
Fischer geschossen wurde. Das bedeutet, eure Opfer haben unser
Opfer umgebracht. Und sie haben ihn nicht nur umgebracht, sondern auch noch gefoltert.»
«Dieser Teil leuchtet sogar ein», sagte Gino. «Interpol glaubt,
dass der Mord an Fischer eine persönliche Sache war, und diese
Leute wohnten jahrelang in derselben Gegend. Es besteht also eine sehr gute Chance, dass Fischer zumindest einem von ihnen
irgendwann einmal über den Weg lief. Wir haben die Gilberts
gefragt, ob sie ihn kannten, darüber hinaus haben wir den Gedanken nicht weiter verfolgt. Ich kenne keinen einzigen Menschen, der nicht irgendwann mindestens einen seiner Nachbarn umbringen wollte,
und machen wir uns nichts vor: Wenn man überall auf der Welt für
Geld Menschen umbringt, muss man schon ein wenig soziopathisch
sein. Was würde einen solchen Menschen davon abhalten, eine
persönliche Rechnung mit jemandem zu begleichen, auf den er eine
Stinkwut hat?»
McLaren versetzte dem Fußboden einen Tritt und rollte seinen
Stuhl zurück zum Schreibtisch. Er stützte das Kinn in beide Hände.
«Ich hasse das. Ich hasse es total. Ich mochte Morey Gilbert wirklich sehr.»
Langer lächelte ihm traurig zu. «Das taten alle.»
KAPITEL 30
«Ich fühle mich, als hätte mir jemand eine Ladung Mauersteine auf den Kopf gekippt», sagte Gino, die Ellbogen auf den Schreibtisch
gestützt, und rieb sich den blonden Bürstenschnitt, als sei das
tatsächlich geschehen.
«Ich weiß, was du meinst», erwiderte Magozzi. Es hatte zu viel
Information gegeben, und dazu aus einer völlig anderen Richtung,
als er erwartet hatte. Vor zwei Jahren hatte ein Wirbelsturm das
ländliche Minnesota heimgesucht. Ein Farmer sah das Unwetter
kommen, sprang vom Traktor und rannte zu seinem Schutzkeller. Er
raste übers Feld und warf einen Blick zurück auf den Tornado, der immer näher kam, als er mit voller Wucht gegen die Seite des Pick-ups prallte, mit dem seine Frau aufs Feld hinausgefahren war, um
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