Der Köder
soll man da
einen Auftragskiller auftreiben? Und welcher Verein würde eine
Greisentruppe beschäftigen? Bobs Morddiscounter?»
«Du glaubst, sie haben für eine Agentur gearbeitet?»
«Ich kann mir nicht vorstellen, dass zwei Opas und eine kleine
Oma in Kaschemmen herumhängen, wo solche Sachen diskret
abgesprochen werden. Außerdem waren sie für selbständige
Attentäter gut ausgelastet und die Morde sind gekonnt gemacht.
Hundertprozentige Profis.» Er seufzte anhaltend. «So ungern ich es auch sage, aber das ist nicht unsere Kragenweite.»
«Dann sag es nicht.»
«Es ist deren Spiel, Leo. Sie waren schon heiß auf die Interpol-
Morde. Wenn wir wirklich davon ausgehen, dass wir es mit einem
Team von Mördern zu tun haben, dann müssen wir den Fall dem FBI
übergeben.»
Magozzi malte die Blütenblätter seiner Sonnenblume aus. «Das
ist es ja. Wir wissen es nicht. Zumindest nicht mit Sicherheit. Wenn wir sie zu früh einschalten, machen sie uns den Fall kaputt.»
«Wenn wir sie nicht einschalten und sich herausstellt, dass diese Leute Auftragsmörder waren, kommen wir in Teufels Küche.»
«Nein, kommen wir nicht. Es ist nicht unser Job, zu beweisen,
dass Morey Gilbert und seine Gruppe Killer waren. Es ist unser Job, herauszufinden, wer sie getötet hat. Vergiss das nicht. Wir haben zudem eine Menge Gründe, die Auftragskiller-Theorie zu
bezweifeln, und nur einen Anhaltspunkt, sie zu untermauern – die
Reisen nach Übersee. Diese Dreiergeschichte bereitet mir wirklich Kopfzerbrechen. Drei Killer für einen Mord? So etwas habe ich noch nie gehört.»
Gino warf seinen Bleistift auf die Tischplatte. «Je länger man
darüber nachdenkt, desto weniger leuchtet es ein. Wir haben gerade eine halbe Stunde damit verbracht, McLaren und Langer davon zu
überzeugen, dass unsere drei Alten Killer waren, und jetzt
verbringen wir eine halbe Stunde damit, uns selbst davon zu
überzeugen, dass sie es nicht waren.»
Magozzi lächelte. «Ein verteufeltes Karussell, stimmt's?»
«Schätze ich auch.» Gino griff über den Schreibtisch und zog die
Akte zum Mord an Arien Fischer zu sich, die Langer ihnen gegeben
hatte, bevor er gegangen war. «Das hier macht mich völlig fertig.
Klar, jeder will irgendwann mal irgendjemanden umbringen, aber
womit hat Arien Fischer einen solchen Tod verdient? In der
Gärtnerei einen Blumentopf umgeworfen? Oma Klebers Autotür
eine Beule verpasst? Mann, das war doch brutal.» Er warf Magozzi
ein Hochglanzfoto über die Schreibtische hinweg entgegen. «Hast du dir diese Fotos angesehen? Sie haben den armen Kerl mit
Stacheldraht an die Gleise gebunden, Herrgott noch mal! Wir haben doch von Vorsatz gesprochen, oder? Das Zeug kann man nicht
einfach im Laden an der Ecke kaufen. Die haben es sich lange vorher besorgt. Folter war Teil ihres Plans.»
Magozzi richtete das Hochglanzfoto vor sich aus und starrte
darauf. Er verbannte alle unnötigen Gedanken aus seinem Kopf,
sodass der eine Gedanke, der sich seit dem Frühstück mit
Malcherson unterschwellig formiert hatte, langsam ins Bewusstsein vordringen konnte. Möglich, dass dieser Gedanke schon seit Beginn der Ermittlungen vorhanden gewesen war. Sein Verstand hatte
abgespeichert, wogegen sich sein Bewusstsein noch sperrte, eine
traurige und unschöne Erkenntnis, die im Dunkeln verborgen lag, bis es Zeit wurde, sich zu zeigen.
Und dieser Zeitpunkt war gekommen.
«Mein Gott, Gino. Das ist es.»
Gino stand langsam auf und sah hinüber auf das verkehrt herum
liegende Foto, um zu verstehen, was Magozzi sah. «Was? Verdammt
noch mal, was denn?»
Magozzi sah ihn so niedergeschlagen an, wie Gino ihn noch nie
erlebt hatte. «Stacheldraht. Züge. Konzentrationslager. Sie waren Juden, Gino. Überlebende des Holocaust.»
Gino ließ seinen massigen Körper in Zeitlupe wieder auf den
Stuhl sinken und behielt Magozzi im Auge.
«Sie waren keine Auftragskiller», sagte Magozzi traurig. «Ich
wette zehn Cent gegen meine Marke, dass Morey, Rose Kleber, Ben
Schuler Nazis umgebracht haben, Nazis, die davongekommen waren.
Und diesen hier» – er stieß mit einem Finger auf Arien Fischers Foto
– «den kannten sie persönlich.»
Gino blickte wieder auf das Foto, drehte seinen Stuhl zur Seite
und starrte eine Weile auf die Wand. «Angela hat mich einmal
überredet, mir eine Sendung im öffentlichen Fernsehen anzusehen.
Jemand machte Interviews mit Juden. Überlebende aus den
Konzentrationslagern. Eine Gruppe von alten
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