Der Köder
einen Monat.»
Sie verneinte mit einer Bewegung ihres Kopfes, sodass ihr
schwarzes Haar in einer Welle über die Schultern schwang. Damit
wollte sie ihn bewusst ablenken, dachte er. Er hätte ihr nicht sagen sollen, dass er oberflächlich war. «So viel Zeit haben wir nicht.
Dieser Kerl schnappt sich exakt alle sieben Monate eine Frau. Und seit dem letzten Mal sind sechs Monate vergangen.»
Magozzi erwog kurz, mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Es
wäre eine typische Geste für einen Italiener gewesen, aber er sah sich selbst nicht in dieser Pose. Anscheinend hatte das fürs Gestikulieren zuständige Gen ihn auf seiner Vererbungsreise übersprungen.
«Kannst du mir vielleicht sagen, wie es dir gelungen ist, in diesem Land eine Polizeidienststelle zu finden, die nicht auf Computer
umgestellt hat?»
Grace stützte das Kinn auf die Hand und sah ihn an. «Du hast
keine Vorstellung, wie viele es davon gibt. Dies ist ein Revier mit vier Leuten, und einer davon ist der Chief, der wie die anderen in Doppelschichten Streife fährt.»
Verdammt, er hasste es, wenn sie auf jede Frage eine passende
Antwort bereit hatte. «Okay, und wo sind denn die Jungs von der
Staatspolizei? Das FBI? Die Texas Rangers? Wer springt denn sonst da unten ein, wenn sie es mit einem Serientäter zu tun haben?»
Grace schnitt eine Grimasse. «Das FBI und die Staatspolizei
haben sich anfangs schwer reingehängt, aber offiziell gelten alle fünf Frauen nur als vermisst und nicht als ermordet. Keine Leichen, keine Tatorte und kein großes Interesse bei der Presse, nachdem sich
herausgestellt hatte, dass viele der Opfer nicht gerade
Musterbürgerinnen waren. Die meisten hatten eine kriminelle
Vorgeschichte – Ausreißerinnen, Drogenabhängige, Prostituierte –, und daher stiegen sie auf der Prioritätenliste sehr schnell nach unten ab.»
Magozzi sah einen ersten Hoffnungsschimmer. «Wenn es keine
Leichen gibt, wieso ist man überhaupt so sicher, dass es sich um eine Mordserie handelt? Ausreißer reißen aus, das ist ihre Natur.
Vielleicht treiben sie sich allesamt irgendwo da draußen rum.»
Grace wurde ungeduldig. «Genau gegen diese Mauer aus
Argumenten muss der Polizeichef ständig ankämpfen. Wenn solche
Frauen verschwinden und niemand gleich eine Leiche findet,
machen Staatspolizei und FBI schnell einen Rückzieher, weil alle
denken, was soll's denn, die Frauen sind sicherlich irgendwohin
abgehauen. Aber der Chief glaubt, dass in seiner Stadt ein Serientäter sein Unwesen treibt, und er hat uns überzeugt. Das letzte Opfer war weder eine Drogensüchtige noch eine Prostituierte oder eine
Ausreißerin, obwohl die Jungs von der Staatspolizei den Fall so
klassifizierten und zu den Akten legten. Sie war achtzehn Jahre alt und fuhr weniger als zwei Meilen zu einem Lebensmittelladen, um
für ihren Vater Eiskrem zu kaufen. Sie war die Tochter des Chiefs, Magozzi. Der Mann sucht sein Kind, und niemand will ihm dabei
helfen.»
Bei dem Satz wusste Magozzi, dass die Schlacht verloren war,
noch bevor sie wirklich begonnen hatte. Grace ging nicht auf die
Suche nach einem Mörder, sie machte sich auf zu einem Kreuzzug.
Er schloss die Augen und seufzte.
«Genau bei einem solchen Fall könnte die Software
ausschlaggebend für einen Erfolg sein.»
Magozzi gab sich Mühe, nicht jämmerlich auszusehen, denn er
hatte das vage Gefühl, dass Jammer nicht unbedingt männlich
wirkte. Im Grunde hatte er gewusst, dass dieser Tag kommen würde.
Grace und ihre drei Partner in Computer-Hexerei hatten sich seit
vergangenem Oktober an dem neuen Programm halb totgearbeitet
und waren so weit, damit auf Tour gehen zu können. Nachdem sich
diese Nachricht jetzt verbreitet hatte, war Arizona nur der Anfang.
Die Nachfrage würde sich zu einer Lawine entwickeln.
Er hatte den Artikel in neueren Ausgaben von juristischen und
polizeilichen Fachzeitschriften gesehen, die so gut wie jede
Dienststelle im Land bekam, und konnte sich vorstellen, dass
ausnahmslos alle Cops begeistert darauf reagieren würden, zumal sie die Dienstleistung keinen Cent kostete.
Das FLEE-Programm war im Grunde ein computerisierter Cop.
Es durchforstete den gesamten Papierkram, der bei einer
Morduntersuchung entstanden war, speicherte die Daten und
überprüfte sich dann selbst im Hinblick auf Wiederholungen und
Ähnlichkeiten. Nichts ging verloren, nichts wurde vergessen. Dieser Albtraum geschah allzu oft, wenn ein Dutzend Polizisten tausende
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