Der Köder
Daten lasen und sich zu merken versuchten. Die Software stimmte unentwegt auflaufende Informationen mit zahllosen
Datenbanken ab und konnte im Laufe von Stunden
Querverbindungen herstellen, was ein Team von Detectives wochen-
oder monatelange Knochenarbeit gekostet hätte.
Grace hatte ihm einmal die technische Seite erklärt – das hatte
ihm in erster Linie mörderische Kopfschmerzen beschert. Magozzi
konnte ganz gut mit einer Tastatur umgehen, aber was auf einer
Festplatte geschah, blieb ihm ein Buch mit sieben Siegeln.
Schließlich hatte sie es für ihn vereinfacht.
Sieh es mal so, Magozzi. Angenommen, du hast ein Opfer, das
einem Antiquitätenhändler oben im Norden vor ein paar Monaten einen Scheck ausgestellt hat. Und nehmen wir auch an, dass am selben Tag ein Lieferant mit einem Strafregister wegen
Körperverletzung in dem Antiquitätenladen Waren abliefert. Das Programm wird dir das innerhalb von Minuten sagen, und du kannst dir den Mann näher ansehen. Nun, ein guter Detective mit viel Freizeit hätte diese Verbindung irgendwann vielleicht auch
festgestellt…
Vielleicht aber auch nicht, hatte Magozzi damals gedacht. Nicht
mal bei der Nationalgarde gab es genügend Einsatzkräfte, um diese Art detaillierter Kleinarbeit in einem akzeptablen Zeitrahmen zu
bewerkstelligen.
Anscheinend hatte er schon lange nichts mehr gesagt, und
anscheinend war Grace deswegen besorgt, denn sie versuchte, ihn
mit Essen zu beschwichtigen. Er sah auf den Teller, den sie vor ihn gestellt hatte: mit Schokolade überzogene Erdbeeren, und dachte, mit was für schmutzigen Tricks sie doch arbeitete. Er würde seine
Mutter für Erdbeeren im Schokoladenmantel verkaufen, und Grace
wusste das.
«Annie ist schon über eine Woche in Arizona», sagte sie und
entlockte ihm ein Lächeln.
Die Erwähnung von Annie Belinsky – eine von Grace' Partnern
und fraglos ihre beste Freundin – hatte auf die meisten Männer diese Wirkung. Ein einziger Blick von dieser stark übergewichtigen und
unglaublich sinnlichen Frau war aufregender als die Teilnahme an
einer Orgie.
«Sie sucht nach einem Haus, das wir mieten können, und trifft
zusammen mit dem Chief Vorbereitungen.»
Ihm verging das Lächeln. «Ihr mietet ein Haus? Was schätzt du
denn, wie lange die Sache dauern wird?»
Grace zuckte die Achseln. «Wir mieten monatsweise.»
Magozzi schloss die Augen und seufzte.
«Ich muss da hin, Magozzi. Ich muss irgendwas tun.»
«Was ist denn mit der Arbeit, die du hier tust? Dein Programm
hat mindestens drei Mordfälle in Minneapolis gelöst, die jahrelang offen geblieben waren. Ist das deiner Meinung nach gar nichts? Drei Familien, die endlich einen Schlussstrich ziehen können. Drei
Mörder, die identifiziert wurden…»
«Magozzi.»
«Was?»
«Das waren alte Fälle.»
«Weiß ich. Und davon haben wir eine Million. Gino hat gerade
heute Morgen wieder eine Akte mitgebracht…»
«Zwei der drei Mörder waren tot, der dritte lebte in einem Heim
für Kriegsveteranen und sah sich sabbernd Fernsehcartoons an.»
Magozzi sah sie finster an und streckte die Hand nach der
Weinflasche aus. Vielleicht sollte er sie betrunken machen, damit sie aufhörte, so einleuchtend zu reden.
«Versteh mich nicht falsch. Ich bin froh, dass wir helfen konnten, und diese Fälle waren ein guter Test für unsere Software. Sie halfen uns, kleine Macken zu beseitigen. Aber da draußen laufen Menschen umher, die jetzt andere umbringen, und wir sitzen hier und
bearbeiten ungelöste alte Fälle, während wir doch ein Programm
besitzen, mit dessen Hilfe wir vielleicht Menschenleben retten
könnten.»
Magozzi sah ihr direkt in die Augen. «Ich bin Italiener. Ich bin
absolut immun gegen Schuldgefühle. Du offenbar nicht.»
«Und das soll heißen?»
«Das heißt, du willst Buße tun. Du gibst dir immer noch die
Schuld an den Monkeewrench-Morden.»
Grace zuckte zusammen. Monkeewrench war der Name ihrer
Softwarefirma gewesen, zumindest bis er zum Mediennamen eines
Killers geworden war und zum Synonym für eine Reihe sinnloser
Morde, die Minneapolis im letzten Herbst fast paralysiert hatten.
Seither dachten sie über einen neuen Namen nach.
«Natürlich machen wir uns Vorwürfe», sagte sie leise. «Wie
anders? Aber was immer unsere Motivation war, es ist etwas Gutes
dabei herausgekommen, Magozzi, und das weißt du.» Sie hielt ihm
eine Schokoladenerdbeere an die Lippen und sah gebannt zu, wie er hineinbiss. Einen so intimen und offen
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