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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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Hitzewelle im April,
    aber sie fanden keine. Fünfzehnhundert Meilen nördlich jedoch, weit oben in Kanada, baute sich eine riesige Kaltfront auf, deren
    Ausläufer langsam auf den amerikanischen Mittelwesten
    zuschwenkten. Ein Wetterwechsel stand bevor.
    Der Polizeibezirk Uptown hatte fünf zusätzliche
    Streifenpolizisten angefordert, um den Verkehr zu bewältigen, der sich um die Synagoge ballte, in der die Trauerfeier für Morey Gilbert stattfand. Schon um zehn Uhr morgens gab es im Inneren der
    Synagoge nur noch Stehplätze; um elf, als die Trauerfeier begann, hatte sich die Menge bereits nach draußen auf den Rasen ergossen, auf den Gehsteig und schließlich sogar auf die Straße. Die Zahl der Menschen ging in die Hunderte, und weder bestand Hoffnung, sie zu zerstreuen, noch gab es einen Platz, auf den man sie hätte abdrängen können. Also hatte schließlich die Straße drei Blocks weit in beiden Richtungen abgesperrt werden müssen. Nicht ein Anwohner oder
    Verkehrsteilnehmer beschwerte sich. Auch die Cops, die
    ursprünglich ungehalten reagiert hatten, weil sie abgestellt wurden, um den Verkehr zu regeln, zeigten sich beeindruckt von der Größe
    und dem pietätvollen Verhalten der Menge und arrangierten sich mit dem Gedanken, nicht als Ordnungshüter, sondern als Ehrengarde
    Zeuge zu werden, wie von einem großartigen Menschen Abschied
    genommen wurde. Keiner von ihnen begriff so recht, was geschah,
    und später konnten sie nur sagen: «Man muss einfach dabei gewesen sein.»
    Drei Stunden später saßen Magozzi und Gino in einem Auto vor
    Lily Gilberts Haus hinter der Gärtnerei und sahen zu, wie eine kleine Armee von schwarz gekleideten Trauergästen durch die Vordertür
    geschleust wurde.
    «Ich glaube, die halbe Stadt war auf dem Friedhof. Ich kann mir
    nicht vorstellen, wie um Himmels willen sie all die Leute in ihrer kleinen Hütte unterbringen will.»
    «Das hier ist der Privatempfang. Nur Familie und Freunde. Jetzt
    kommen die Leute, die ihn am besten kannten und von denen wir
    was hören möchten.»
    Gino seufzte und lockerte seinen Krawattenknoten. «Hast du
    schon mal so viel Presse bei einer Beerdigung erlebt?»
    «Höchstens bei einem Politiker oder einem Rockmusiker.»
    «Und ist das nicht eine traurige Aussage über den Zustand der
    Welt? Aber mir ist etwas durch den Kopf gegangen – hast du den
    Leuten zugehört, die aufgestanden sind und ihre Geschichten erzählt haben, wie Morey ihnen geholfen hat? Mann, das war doch wie ein
    Spaziergang durch einen Hochsicherheitstrakt. Drogendealer,
    Gangmitglieder – kein Schwerverbrechen, das nicht vertreten war.»
    «Ex-Drogendealer, Ex-Gangmitglieder.»
    Gino schnaubte abfällig. «So heißt es. Aber was ist, wenn einer
    von denen wieder rückfällig wird, beim guten alten Morey auftaucht, ihn um eine kleine finanzielle Unterstützung bittet und stinksauer wird, wenn der Goldesel sich weigert, Dukaten zu scheißen?»
    Magozzi sah ihn an. «Weißt du, mir ist gerade eins klar
    geworden: Du bist ein wirklich respektvoller und beinahe sogar
    feiner Mensch, bis du deine Krawatte lockerst. Dann geht alles den Bach runter.»
    «Na ja, möglich wäre es doch, oder?»
    Magozzi ließ die Handgelenke übers Lenkrad hängen. «Dass
    einer von den Leuten, denen er geholfen hat, ihn noch mal
    heimgesucht hat? Kann sein, aber wenn das stimmt, wird es für uns verdammt schwer werden, ihn aufzustöbern. Bestimmt sind heute
    über tausend Leute da gewesen. Außerdem würde es die Theorie
    durchlöchern, dass derselbe Killer auch Rose Kleber ermordet hat, und irgendwie hänge ich an dieser Annahme.» Er beugte sich vor
    und blinzelte zur Windschutzscheibe hinaus. «Wer ist denn der Typ im marineblauen Anzug, der Jack Gilbert umarmt?»
    «Wer immer es ist, er umarmt ihn nicht, sondern er stützt ihn.
    Hast du nicht gesehen, wie er am Grab schwankte und torkelte?
    Mann, ganz kurz habe ich gedacht, er fällt in die Grube und schüttelt seinem Vater die Hand.»
    «Ja, habe ich gesehen.» Magozzi ließ sich in seinen Sitz
    zurücksinken und beobachtete, wie der Mann Jack stützte und dann, kaum dass er ihn stabilisiert hatte, davoneilte, als wolle er nicht in der Nähe sein, wenn Jack stürzte. Es hatte ohnehin den Anschein, als mieden alle Leute Jack Gilberts Nähe. «Ist dir aufgefallen, dass er die ganze Zeit allein ist?»
    «Gilbert?»
    «Ja.»
    Gino zuckte die Achseln. «Wen überrascht das? Der Typ ist doch
    das reinste Katastrophengebiet.»
    «Lily hat heute

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