Der Köder
in eine
Unterhaltung zu verwickeln, und da Marty ein höflicher Mensch
war, gab er sich allergrößte Mühe, Interesse zu heucheln. Dass er ihnen etwas vormachte, war zwar nicht zu übersehen, aber nach
ungefähr zehn Minuten spürte Magozzi, dass sie dem Mann echte
Qualen bereiteten.
«Wir sollten uns auf den Weg machen, Gino», sagte er, aber in
dem Augenblick kam Jack Gilbert auf sie zugetorkelt, und sein
Drink, der fast so rot war wie sein Gesicht, schwappte über die Brust seines weißen Hemds. Er schwang den Arm um Martys Schulter.
«He, Jungs! Mordsauftrieb hier, hm?» Er wies gestikulierend mit
seinem Glas über die Gästeschar und verspritzte den Punsch im
hohen Bogen. «Man könnte meinen, der verdammte Papst sei
gestorben.»
So plötzlich, dass alle überrascht waren, wirbelte Marty zu Jack
herum, schüttelte den unliebsamen Arm ab und entriss Jack den
Drink. Für einen Moment glaubte Magozzi noch eine Spur des
Gorillas von damals zu entdecken. «Treib es nicht zu weit, Jack.
Nicht heute.»
Jack taumelte rückwärts und hätte beinahe das Gleichgewicht
verloren. «Mein Gott, Marty, nichts für ungut. Reg dich ab. Willst du einen Drink?»
Eine korpulente Frau mit kastanienbraunem Haar näherte sich
und reichte Marty ein Handy. «Für Sie.» Als Marty das Gespräch
angenommen hatte und zur Seite getreten war, ging sie auf Jack los.
«Jack, sieh dich bloß an, torkelst besoffen durch die Gegend,
verschüttest Drinks, beleidigst die Gäste… wie kannst du deiner
Mutter das nur antun?»
Jacks Kopf schwankte leicht, als er versuchte, den Blick auf die
Frau zu konzentrieren. «Mein Gott, Sheila, bist du es? Du siehst aus wie Dennis Rodman. Scheiße, was hast du bloß mit deinem Haar
gemacht?»
Ihre Augen wurden schmal, und sie beugte sich ihm entgegen.
«Farshtinkener paskudnyak», zischte sie und stürmte davon.
Ginos Augen waren aufgerissen. Er wusste zwar nicht, als was
die Frau Jack bezeichnet hatte, war sich aber absolut gewiss, dass der es verdient hatte. «Wissen Sie was, Mr. Gilbert? Sie sollten sich ein wenig zusammenreißen. Setzen Sie sich aufs Sofa und trinken Sie
eine Tasse Kaffee.»
«Ja, das ist echt 'ne klasse Idee, Detective, aber sehen Sie, ich habe gerade meine beste Flasche Bourbon in den Punsch geschüttet, und es gibt eine jüdische Tradition, die besagt, wenn man Alkohol bei einer Beerdigung ausschenkt, muss man ihn bis zur Neige
trinken, wenn man den Toten nicht entehren will.»
Gino starrte ihn sekundenlang an. Er war ziemlich sicher, dass
der Mann ihn verscheißern wollte, aber wenn es um Religion ging,
wusste man ja nie. Wer würde zum Beispiel glauben, dass die
Katholiken manchen Leuten Asche auf die Stirn schmierten?
«Er wollte dich auf den Arm nehmen, Gino», sagte Magozzi.
«Ich weiß. Verschwinden wir hier.»
Er und Magozzi wollten sich gerade an Jack vorbeidrängen, als
Martys Hand vorschoss und Gino am Arm packte. Immer noch viel
Kraft in dieser Hand, dachte Gino, als Marty ihn festhielt und leise irgendeine Bestätigung ins Handy sprach, bevor er es vom Ohr nahm und die Verbindung unterbrach. «Ich denke, Sie sollten das wissen», sagte er sehr leise und sah sich dabei um, weil er sichergehen wollte, dass keiner der Gäste nahe genug war, um mitzuhören. «Das war
Sol. Ben Schuler ist erschossen worden.»
Magozzis Miene straffte sich. «Er ist tot?»
Marty nickte zornig.
«Wer ist tot?», fragte Jack viel zu laut. Er taumelte ein wenig
näher.
«Nicht so laut, Jack», ermahnte Marty. «Ben Schuler.»
«Mach keinen Scheiß! Armer alter Halunke. Was war es?
Herzschlag?»
Marty zögerte, vielleicht in Erinnerung daran, dass Polizisten nur widerwillig Informationen mit Zivilpersonen austauschen. «Nein»,
sagte er schließlich. «Erschossen. Eine Kugel in den Kopf. Genau
wie Morey.»
Auf diese wenigen Worte reagierte Jack Gilbert plötzlich
beängstigend nüchtern, und bis auf den letzten Tropfen wich das
Blut aus seinem betrunkenen roten Gesicht. «Selbstmord?»
Marty schüttelte den Kopf.
Ein merkwürdiger Ausdruck veränderte Jacks Gesicht, wie
Magozzi ihn nur wenige Male in seinem Leben gesehen hatte – der
Ausdruck echter Angst. «Gütiger Gott», flüsterte er.
«Haben Sie ihn gekannt?», fragte Gino.
Jack nickte. «Ja. Ich kannte ihn.» Er drehte sich um und ging
davon, perfekt geradeaus.
Marty fand ihn Augenblicke später in der Küche, wo er auf den
Tisch gestützt das Foto von Rose Kleber in der
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