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Der Köder

Der Köder

Titel: Der Köder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P.J. Tracy
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in eine
    Unterhaltung zu verwickeln, und da Marty ein höflicher Mensch
    war, gab er sich allergrößte Mühe, Interesse zu heucheln. Dass er ihnen etwas vormachte, war zwar nicht zu übersehen, aber nach
    ungefähr zehn Minuten spürte Magozzi, dass sie dem Mann echte
    Qualen bereiteten.
    «Wir sollten uns auf den Weg machen, Gino», sagte er, aber in
    dem Augenblick kam Jack Gilbert auf sie zugetorkelt, und sein
    Drink, der fast so rot war wie sein Gesicht, schwappte über die Brust seines weißen Hemds. Er schwang den Arm um Martys Schulter.
    «He, Jungs! Mordsauftrieb hier, hm?» Er wies gestikulierend mit
    seinem Glas über die Gästeschar und verspritzte den Punsch im
    hohen Bogen. «Man könnte meinen, der verdammte Papst sei
    gestorben.»
    So plötzlich, dass alle überrascht waren, wirbelte Marty zu Jack
    herum, schüttelte den unliebsamen Arm ab und entriss Jack den
    Drink. Für einen Moment glaubte Magozzi noch eine Spur des
    Gorillas von damals zu entdecken. «Treib es nicht zu weit, Jack.
    Nicht heute.»
    Jack taumelte rückwärts und hätte beinahe das Gleichgewicht
    verloren. «Mein Gott, Marty, nichts für ungut. Reg dich ab. Willst du einen Drink?»
    Eine korpulente Frau mit kastanienbraunem Haar näherte sich
    und reichte Marty ein Handy. «Für Sie.» Als Marty das Gespräch
    angenommen hatte und zur Seite getreten war, ging sie auf Jack los.
    «Jack, sieh dich bloß an, torkelst besoffen durch die Gegend,
    verschüttest Drinks, beleidigst die Gäste… wie kannst du deiner
    Mutter das nur antun?»
    Jacks Kopf schwankte leicht, als er versuchte, den Blick auf die
    Frau zu konzentrieren. «Mein Gott, Sheila, bist du es? Du siehst aus wie Dennis Rodman. Scheiße, was hast du bloß mit deinem Haar
    gemacht?»
    Ihre Augen wurden schmal, und sie beugte sich ihm entgegen.
    «Farshtinkener paskudnyak», zischte sie und stürmte davon.
    Ginos Augen waren aufgerissen. Er wusste zwar nicht, als was
    die Frau Jack bezeichnet hatte, war sich aber absolut gewiss, dass der es verdient hatte. «Wissen Sie was, Mr. Gilbert? Sie sollten sich ein wenig zusammenreißen. Setzen Sie sich aufs Sofa und trinken Sie
    eine Tasse Kaffee.»
    «Ja, das ist echt 'ne klasse Idee, Detective, aber sehen Sie, ich habe gerade meine beste Flasche Bourbon in den Punsch geschüttet, und es gibt eine jüdische Tradition, die besagt, wenn man Alkohol bei einer Beerdigung ausschenkt, muss man ihn bis zur Neige
    trinken, wenn man den Toten nicht entehren will.»
    Gino starrte ihn sekundenlang an. Er war ziemlich sicher, dass
    der Mann ihn verscheißern wollte, aber wenn es um Religion ging,
    wusste man ja nie. Wer würde zum Beispiel glauben, dass die
    Katholiken manchen Leuten Asche auf die Stirn schmierten?
    «Er wollte dich auf den Arm nehmen, Gino», sagte Magozzi.
    «Ich weiß. Verschwinden wir hier.»
    Er und Magozzi wollten sich gerade an Jack vorbeidrängen, als
    Martys Hand vorschoss und Gino am Arm packte. Immer noch viel
    Kraft in dieser Hand, dachte Gino, als Marty ihn festhielt und leise irgendeine Bestätigung ins Handy sprach, bevor er es vom Ohr nahm und die Verbindung unterbrach. «Ich denke, Sie sollten das wissen», sagte er sehr leise und sah sich dabei um, weil er sichergehen wollte, dass keiner der Gäste nahe genug war, um mitzuhören. «Das war
    Sol. Ben Schuler ist erschossen worden.»
    Magozzis Miene straffte sich. «Er ist tot?»
    Marty nickte zornig.
    «Wer ist tot?», fragte Jack viel zu laut. Er taumelte ein wenig
    näher.
    «Nicht so laut, Jack», ermahnte Marty. «Ben Schuler.»
    «Mach keinen Scheiß! Armer alter Halunke. Was war es?
    Herzschlag?»
    Marty zögerte, vielleicht in Erinnerung daran, dass Polizisten nur widerwillig Informationen mit Zivilpersonen austauschen. «Nein»,
    sagte er schließlich. «Erschossen. Eine Kugel in den Kopf. Genau
    wie Morey.»
    Auf diese wenigen Worte reagierte Jack Gilbert plötzlich
    beängstigend nüchtern, und bis auf den letzten Tropfen wich das
    Blut aus seinem betrunkenen roten Gesicht. «Selbstmord?»
    Marty schüttelte den Kopf.
    Ein merkwürdiger Ausdruck veränderte Jacks Gesicht, wie
    Magozzi ihn nur wenige Male in seinem Leben gesehen hatte – der
    Ausdruck echter Angst. «Gütiger Gott», flüsterte er.
    «Haben Sie ihn gekannt?», fragte Gino.
    Jack nickte. «Ja. Ich kannte ihn.» Er drehte sich um und ging
    davon, perfekt geradeaus.
    Marty fand ihn Augenblicke später in der Küche, wo er auf den
    Tisch gestützt das Foto von Rose Kleber in der

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