Der Köder
Konzentrationslager?», fragte Magozzi.
«Hat Biederman jedenfalls gesagt.» Jimmy Grimm sah Magozzi
in die Augen. «Drei, und es könnten mehr werden.»
Anantanand Rambachan stand mitten in Ben Schulers
Schlafzimmer, den Kopf gebeugt, die Handflächen hielt er unter dem Kinn zusammengepresst. Er sah eher nach einem Trauernden aus als
nach einem Gerichtsmediziner, dachte Magozzi, der in der
Türöffnung zögerte, weil er sich fragte, ob Anant vielleicht betete und es ein unverzeihlicher Verstoß gegen die Hindu-Etikette wäre, ihn dabei zu unterbrechen.
Gino war etwas weniger sensibel. «He, Anant, sind Sie in Trance,
oder was?»
Anant lächelte schwach, als er sich ihnen zuwandte. Keine
blitzenden Zähne, heute Abend nicht. «Guten Abend, Detective
Rolseth, Detective Magozzi. Und um Ihre Frage zu beantworten,
Detective Rolseth – nein, ich bin nicht in Trance. Hätte ich mich in einem derartigen Zustand befunden, wäre ich nicht in der Lage
gewesen, Ihre Frage zu hören. Ich habe nur…» Er zog seine glatten schwarzen Brauen zusammen und runzelte die Stirn, als er die Hände öffnete, dann wieder schloss und sie schließlich an die Brust legte.
«Alles in sich aufgenommen?», fragte Gino.
«Ja. Ja, das ist der präzise Ausdruck, der beschreibt, was ich
getan habe. Danke Ihnen.» Er winkte sie in den Raum. «Von der Tür geradeaus bis hierher, wo ich stehe, wenn ich Sie bitten darf. Sehen Sie, wo der Boden eine dunklere Färbung hat?»
Magozzi sah hinunter auf den knapp einen Meter breiten Streifen,
der über den Holzfußboden lief und auf dem der Glanz des alten
Firnis noch erhalten und nicht durch Sonnenlicht und Abnutzung
verblasst war. «Lag hier ein Läufer?»
«Ja. Bevor wir eingetreten sind, hat Mr. Grimm ihn zur
Untersuchung wegnehmen lassen, damit wir einen Zugang zu dieser
schrecklichen Geschichte fanden.»
Magozzi und Gino gingen hintereinander und mit aller Vorsicht
direkt in der Mitte des Streifens, den der Läufer hinterlassen hatte.
Als sie den halben Weg hinter sich hatten, blieben sie stehen und blickten wortlos in die Runde, um Anants schreckliche Geschichte
mit eigenen Augen zu lesen.
Das Schlafzimmer sah chaotisch aus und roch Gott sei Dank eher
nach billigem Aftershave als nach etwas anderem. Was an Flaschen
auf der Kommode gestanden hatte, war jetzt nur noch ein Haufen aus Glasscherben, vermischt mit ausgelaufenen Flüssigkeiten auf dem
Fußboden. Ein Nachttisch neben dem Bett war umgeworfen,
daneben lag eine kaputte Lampe, deren grüner Glasschirm
zersplittert war. Was von dem zerschmetterten Telefon übrig war,
lag in einer entfernten Ecke, und eine verblichene Tagesdecke aus Chenille war vom Bett gerissen worden.
Die Schuhe stachen inmitten all dieser Trümmer hervor und
schienen irgendwie von der Gewalttätigkeit, die hier geherrscht
hatte, unberührt geblieben zu sein. Sie waren schwarz, auf
Hochglanz poliert und standen in Erwartung passender Füße sorgsam aufgestellt vor einem Stuhl mit hoher Rückenlehne.
Gino stieß einen langen Seufzer aus. Er sah in den offenen
Wandschrank auf einen Haufen von Kleidungsstücken, die von
Bügeln gezerrt worden waren und jetzt auf dem Boden lagen. «Wo
ist er? Da drinnen?»
Anant folgte seinem Blick. «Nein. Nicht mehr. Mr. Schuler
befindet sich unter dem Bett.»
Magozzi schloss ganz kurz die Augen und stellte sich einen alten
Mann in Todesangst vor, der sich in einem ekelhaften Katz-und-
Maus-Spiel von einem unbrauchbaren Versteck zum anderen
schleppte und bis zum bitteren Ende erfolglos versuchte, sein Leben zu retten. Aber er hatte sein Schicksal akzeptiert und nur instinktiv unter dem Bett Schutz gesucht, wie ein waidwundes Tier, um vor
Blicken geschützt und relativ friedlich zu sterben… sofern das
überhaupt möglich war, wenn man von einem sadistischen
Psychopathen mit einer Schusswaffe verfolgt wurde. «Ich sehe kein Blut. Wurde er unterm Bett erschossen?»
«Eine korrekte Annahme, Detective», sagte Anant, kniete nieder
und bedeutete ihnen, dasselbe zu tun. Er zog eine Taschenlampe aus seinem Mantel und leuchtete unter das Bett. «Bitte, meine Herren, wenn Sie mögen.»
Magozzi und Gino duckten sich neben ihn und erblickten das,
was von Ben Schulers Kopf übrig geblieben war. Der obere Teil
seines Schädels bestand nur noch aus Blut, Gehirnmasse und
Knochenfragmenten, aber sein Gesicht, gespenstisch bleich im
Lichthof der Taschenlampe, war auf grausame Weise unversehrt und
wie
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