Der Koenig aller Krankheiten - Krebs, eine Biografie
ein Prüfungsverfahren für die radikale Mastektomie steckte. Fisher war auf Anhieb interessiert. Tatsächlich hatte er selbst versucht, eine ähnliche Studie über die Kombination von Chemotherapie mit Mastektomie durchzuführen. Aber selbst Fisher konnte nur einen Kampf nach dem anderen angehen. Nachdem seine laufende Studie, die NSAPB-04, 5 die radikale mit nichtradikaler Chirurgie verglich, so mühsam vorankam, konnte er kaum Kollegen überreden, sich an einer Studie zu beteiligen, die Chemo und OP bei Brustkrebs kombinierte.
Ein italienisches Team kam zu Hilfe. 1972, als das NCI das ganze Land nach einer Klinik durchkämmte, 6 an der die postoperative »adjuvante Chemotherapie« getestet werden konnte, kam der Onkologe Gianni Bonadonna nach Bethesda, um das Institut zu besichtigen. Charmant, umgänglich und kultiviert, eine überaus elegante Erscheinung in maßgeschneiderten Mailänder Anzügen, machte Bonadonna von Anfang an großen Eindruck am NCI. Von DeVita, Canellos und Carbone erfuhr er, dass sie fortgeschrittenen Brustkrebs mit verschiedenen Wirkstoffen behandelten und eine Kombination gefunden hatten, die wahrscheinlich wirksam war: Cytoxan (ein Verwandter von Stickstofflost), Methotrexat (eine Variante von Farbers Aminopterin) und Fluoruracil (ein DNA-Synthese-Hemmer).
Dieser Medikationsplan, CMF genannt, wurde mit relativ geringen Nebenwirkungen vertragen und war in der Kombination doch aktiv genug, um gegen mikroskopische Tumoren zu wirken – eine ideale Kombination, die sich als adjuvante Therapie bei Brustkrebs einsetzen ließ.
Bonadonna arbeitete an einem großen Krebszentrum in Mailand, dem Istituto Nazionale dei Tumori, und war dort eng mit Umberto Veronesi, dem Leiter der Brustkrebsstation, befreundet. Von Carbone (der noch immer um eine vergleichbare Studie in den USA kämpfte) überzeugt, entwarfen Bonadonna und Veronesi – offenbar die einzige Kombination von Chirurg und Chemotherapeut, die auf freundschaftlichem Fuß miteinander stand – eine breit angelegte randomisierte Studie mit dem Ziel, die Auswirkungen von Chemotherapie nach einer Operation von Brustkrebs im Frühstadium zu erforschen. Sie erhielten sofort den Zuschlag vom NCI.
Die Ironie dabei dürfte den Forschern am Institut nicht entgangen sein. In Amerika war die Krebsmedizin insgesamt von internen Auseinandersetzungen derart zerrissen, dass die wichtigste vom NCI finanzierte Studie über die zytotoxische Chemotherapie nach der landesweiten Mobilmachung zum Krieg gegen den Krebs ins Ausland ausgelagert werden musste.
Bonadonna begann mit seiner Studie im Sommer 1973. Zu Beginn des Winters hatte er fast vierhundert Frauen dafür gewonnen und sie nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt – die eine Hälfte mit, die andere ohne Behandlung mit CMF. Veronesis Unterstützung war sehr wichtig, aber von anderen Brustchirurgen kam noch immer wenig Interesse. »Die Chirurgen waren nicht nur skeptisch«, 7 erinnerte sich Bonadonna. »Sie waren feindselig. Sie wollten es nicht wissen. Damals gab es sehr wenige Chemotherapeuten, und die waren nicht hoch angesehen. Chirurgen sahen ihre Patienten selten wieder, und ich glaube, sie wollten nicht hören, wie vielen Patienten die Chirurgie eben nicht helfen konnte. Es war eine Frage des Ansehens.«
An einem bewölkten Morgen im Winter 1975 flog Bonadonna nach Brüssel, um seine Ergebnisse auf einem europäischen Onkologenkongress zu präsentieren. Die Studie hatte eben ihr zweites Jahr hinter sich. Aber die beiden Gruppen, berichtete Bonadonna, hätten sich eindeutig auseinanderentwickelt. Fast die Hälfte der Frauen ohne Nachbehandlung habe einen Rückfall erlitten. Hingegen sei nur bei einem Drittel der mit adjuvanter Chemotherapie behandelten Frauen ein Rezidiv aufgetreten. Bei jeder sechsten behandelten Frau habe die adjuvante Chemotherapie ein Brustkrebsrezidiv verhindert.
Die Neuigkeit war so unerwartet, dass ein perplexes Schweigen im Publikum eintrat. Bonadonnas Präsentation hatte die Chemotherapie gegen Krebs in ihren Grundfesten erschüttert. Erst auf dem Rückflug nach Mailand, dreitausend Meter über der Erde, wurde Bonadonna endlich von seinen mitreisenden Kollegen mit Fragen überschüttet.
Gianni Bonadonnas bemerkenswerte Mailänder Studie ließ eine Frage offen, die geradezu darum flehte, beantwortet zu werden. Wenn die adjuvante CMF-Chemotherapie bei Brustkrebspatientinnen im Frühstadium die Rückfallquote verringern konnte, war es dann auch möglich, mit
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