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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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der Met umherspritzte. »Auf nach
London also, alle miteinander! Laßt uns den neuen König ansehn!«
    Sie erhoben sich wie ein Mann.
    »Warum soll ich’s meinem Vater nicht gleichtun können?«
rief König Pellinore aus.
    »Donner und Doria!« sagte Sir Grummore. »Schließlich
ist’s die Hauptstadt, verdammt und zugenäht!«
    »Hurra!« schrie Kay.
    »Der Herr sei uns gnädig«, murmelte das Kindermädchen.
    In diesem Augenblick kam Wart mit Merlin herein.
Alle waren viel zu aufgeregt, um zu merken, daß er, wäre er nicht inzwischen
erwachsen geworden, nun mit den Tränen gekämpft hätte.
    »Oh, Wart«, rief Kay, der vergaß, daß er’s mit
seinem Knappen zu tun hatte, und in den vertraulichen Ton ihrer Knabenjahre
zurückfiel. »Was meinst du wohl? Stell dir vor: wir gehn alle nach London, wo
am Neujahrstag ein großes Turnier stattfindet!«
    »Wirklich?«
    »Ja. Und du trägst meinen Schild und meine Lanzen
bei den Tjosten, und ich werd’ sie alle besiegen und ein berühmter Ritter
sein!«
    »Da bin ich ganz froh«, sagte Wart. »Merlin verläßt
uns nämlich.«
    »Ach, Merlin brauchen wir nicht.«
    »Merlin verläßt uns«, wiederholte Wart.
    »Verläßt uns?« fragte Sir Ector. »Wer verläßt wen?
Ich denke, wir gehn nach London?«
    »Merlin verläßt den Forest Sauvage.«
    Sir Ector sagte: »Was soll das heißen, Merlin? Ich
versteh’ kein Wort.«
    »Ich bin gekommen, um Lebwohl zu sagen, Sir Ector«,
sagte der alte Zauberer. »Morgen wird mein Schüler Kay zum Ritter geschlagen,
und die Woche darauf wird mein anderer Schüler ihm als Schildknappe folgen. Ich
werde nicht mehr gebraucht – also ist’s an der Zeit, Abschied zu nehmen.«
    »Aber, aber«, sagte Sir Ector, »nun sagt doch so
was nicht! Ihr seid ein phantastisch brauchbarer Knabe, finde ich, auf jedem
Gebiet. Ihr bleibt hier. Werdet halt mein Lehrer, oder Bibliothekar, oder sonst
irgendwas. Laßt jetzt einen alten Mann nicht im Stich, nachdem die Kinder
ausgeflogen sind.«
    »Wir werden uns wiedersehn«, sagte Merlin. »Kein
Grund zur Traurigkeit.«
    »Geht nicht fort«, sagte Kay.
    »Ich muß«, entgegnete der Tutor. »Es waren schöne
Zeiten, als wir jung waren, doch liegt’s in der Natur der Zeit, daß sie
verstreicht. Es gibt viele Dinge in ändern Teilen des Königreichs, denen ich
mich jetzt widmen muß, und ich habe zur Zeit besonders viel zu tun. Komm,
Archimedes: sag den Herrschaften Auf Wiedersehn.«
    »Wiedersehn«, sagte Archimedes zärtlich zu Wart.
    »Wiedersehn«, sagte Wart, ohne aufzublicken.
    »Aber Ihr könnt nicht so einfach gehn«, rief Sir
Ector. »Ihr müßt Eure Kündigungsfrist einhalten!«
    »Kann ich nicht?« erwiderte Merlin und nahm die Haltung
ein, die Philosophen einzunehmen pflegen, wenn sie sich anschicken, ihren
Aggregatzustand zu verändern: sich zu dematerialisieren. Er stellte sich auf
die Zehenspitzen, während Archimedes sich auf seiner Schulter festkrallte. Er
drehte sich langsam. Wie ein Kreisel. Dann drehte er sich schneller und
schneller, bis er nur noch ein blaugrauer Lichtwisch war. Und kurz darauf war
gar nichts mehr da.
    »Auf Wiedersehn, Wart«, riefen zwei verschwebende
Stimmen vor dem Söller-Fenster.
    »Wiedersehn«, sagte Wart zum letztenmal – und der
arme Bursche rannte schnell aus dem Raum.
     
     
     
     
     
    KAPITEL 23
     
     
    Der Ritterschlag fand in
einem Trubel von Vorbereitungen statt. Kays prunkvolles Bad mußte im
Abstellraum hergerichtet werden, zwischen zwei Handtuchständern und einer alten
Kiste mit Spielzeug, in der sich eine zerfledderte Stroh-Zielscheibe für
Wurfspieße befand (dazumal fléchette genannt), denn alle anderen Räume waren
mit Gepäck vollgestopft. Das Kindermädchen war die ganze Zeit damit
beschäftigt, für jedermann neue warme Unterhosen anzufertigen, da die
Überzeugung herrschte, das Klima außerhalb des Forest Sauvage könne nur äußerst
tückisch sein. Der Waffenmeister polierte alle Rüstungen, bis sie dünn und
durchscheinend wurden, und schliff die Schwerter, bis sie kaum mehr existent
waren.
    Endlich kam die Zeit der Abreise.
    Wer nicht im Alt-England des zwölften Jahrhunderts
– oder wann immer es war – gelebt hat, und dazu noch auf einer abgelegenen Burg
in der Grenzmark, der wird sich nur schwer vorstellen können, wie wundersam
eine solche Reise war.
    Die Straße – oder die Piste oder der Pfad – verlief
zumeist über die Hügelrücken oder Dünenkuppen, so daß sie zu beiden Seiten auf
die öden Marschen niederblicken konnten,

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