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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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wo das verschneite Röhricht raschelte
und das Eis knisterte und die Enten laut im winterlichen Sonnenuntergang quakten.
Das ganze Land sah so aus. Vielleicht befand sich auf der einen Seite mal ein
Moor und auf der anderen ein Wald von hunderttausend Morgen, dessen Bäume
lauter weißbeschwerte Äste trugen. Manchmal sahen sie zwischen den Wipfeln
eine dünne Rauchsträhne oder weit draußen im undurchdringlichen Ried ein paar
zusammengekauerte Gebäude, und zweimal kamen sie durch recht ansehnliche
Städte, die sich mehrerer Wirtshäuser rühmten, insgesamt jedoch war’s ein
England ohne Zivilisation. Die besseren Straßen waren beiderseits jeweils
einen Bogenschuß weit von Gestrüpp und Unterholz befreit, so daß hinterhältige
Strauchdiebe den Reisenden nichts anhaben konnten.
    Sie schliefen, wo sich Gelegenheit bot; bisweilen
in der Hütte eines Hirten, der sie gastlich aufnahm, bisweilen auf der Burg
eines Ritters, der sie zu einer Verschnaufpause einlud, bisweilen am Herd
einer schmutzigen, flohreichen kleinen Herberge, wohin ein aufgepflanzter Besen
(das Schankzeichen jener Tage) sie gelockt hatte. Zwei- oder dreimal nächtigten
sie, dicht aneinander gedrängt, im Freien zwischen den grasenden Pferden.
Überall aber strich der Ostwind pfeifend durchs Ried, und hoch über ihnen
flogen nächtens die Gänse dahin, schrill zu den Sternen schreiend.
    London war zum Bersten gefüllt. Zum Glück besaß Sir
Ector ein kleines Grundstück an der Pie Street, auf dem ein achtbares Gasthaus
stand, sonst wäre es ihnen schwergefallen, eine Unterkunft zu finden. Dies also
war sein Eigentum, und hieraus bezog er einen Großteil seiner Einkünfte. Sie
durften sich glücklich schätzen, für fünf Personen drei Betten vorzufinden.
    Am ersten Tag des Turniers gelang es Sir Kay, sie
gut eine Stunde vor dem möglichen Beginn der Tjosten auf den Weg zu bringen. Er
hatte die ganze Nacht wach gelegen und sich ausgemalt, wie er die besten Barone
Englands schlagen würde; am Morgen hatte er kein Frühstück zu sich nehmen
können. Jetzt führte er mit blassem Gesicht die Kavalkade an, und Wart
wünschte, er hätte irgendeine Möglichkeit, ihn zu beruhigen.
    Für Leute vom Lande, die nur das verwahrloste
Tüte-Feld von Sir Ectors Schloß kannten, war der Schauplatz, den sie nun
erblickten, einfach hinreißend. Es war ein riesiger grüner Kampfplatz, ungefähr
so groß wie ein Fußballstadion; er lag zehn Fuß tiefer als die Umgebung und war
von sanft ansteigenden Hängen begrenzt. Den Schnee hatte man weggefegt, der
Boden war mit Stroh warmgehalten worden, das man in der Frühe entfernt hatte.
Und jetzt funkelte das kurzgehaltene Gras grünlich inmitten der weißen
Landschaft. Um die Arena herum war alles derart bunt und bewegt und brausend,
daß es einem den Atem verschlug. Die hölzernen Tribünen waren scharlachrot und
weiß gestrichen. Die zu beiden Seiten aufgeschlagenen seidenen Zelte für die
Prominenz leuchteten azurblau und grün und safrangelb und kariert. Die überall
aufgepflanzten Fähnlein und Wimpel flatterten mit allen Farben des Regenbogens
in der steifen Brise, schlugen knatternd gegen die Stäbe, und die Schranke in
der Mitte der Arena trug ein Schachbrettmuster aus Schwarz und Weiß. Die
meisten Kombattanten und ihre Freunde waren noch nicht da, doch die wenigen,
die sich schon eingefunden hatten, ließen ahnen, was allen bevorstand: die
Hänge würden ein Meer von Farben sein, die Rüstungen würden blitzen, und die
Fransenärmel der Herolde würden im Winde tanzen, wenn sie ihre gleißenden
Drommeten an den Mund hoben, um die wolligen Winterwolken mit
Fanfarenjubelstößen zu vertreiben.
    »Großer Gott!« rief Sir Kay. »Ich habe mein Schwert
zu Hause gelassen.«
    »Könnt nicht ohne Schwert tjostieren«, sagte Sir
Grummore. »Völlig regelwidrig.«
    »Geh und hol’s«, sagte Sir Ector. »Hast noch Zeit
genug.«
    »Das kann mein Knappe machen«, sagte Sir Kay. »So
etwas Dämliches! Los, Knappe, reit zu und hol mein Schwert aus dem Gasthof.
Kriegst einen Schilling, wenn du’s beizeiten herbeischaffst.«
    Wart wurde so blaß wie Sir Kay, und es sah aus, als
wolle er zum Schlag ausholen. Dann sagte er: »Es wird geschehen, Herr!« und
lenkte seinen Paßgänger gegen den Strom der Herankommenden. Er drängte sich
durch die Menge, so gut er’s vermochte, und trabte dem Gasthof zu.
    »Mir Geld zu bieten!«, sagte er wütend vor sich
hin. »Blickt von seinem großen Turnierpferd auf meine armselige Mähre

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