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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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und das ist das Gute dabei. Es
zeigt nämlich, daß beide Seiten sich im Innern bewußt sind, daß das Böse am
Krieg sein Anfang ist.«
    »Aber die Gründe!« warf Arthur ein. »Wenn eine Seite die
andere aushungert – mit irgend welchen friedlichen, ökonomischen Mitteln, die
nicht gradwegs kriegerisch sind – , dann müßte sich die verhungernde Seite doch
freikämpfen – wenn Ihr versteht, was ich meine.«
    »Ich verstehe, was Ihr glaubt zu meinen«, sagte der
Zauberer, »aber Ihr irrt. Das ist keine Entschuldigung für einen Krieg, nicht
die mindeste. Es gibt keine. Und welches Unrecht Eure Nation der meinen auch
antun mag – abgesehen vom Krieg – , meine Nation wäre im Unrecht, wenn sie
einen Krieg begönne, um dem abzuhelfen. Einen Mörder, zum Beispiel, läßt
man sich doch nicht damit herausreden, sein Opfer sei reich gewesen und habe
ihn unterdrückt. Weshalb also sollte man es einer Nation erlauben? Unrecht muß
mit Vernunft wiedergutgemacht werden, nicht mit Gewalt.«
    Kay sagte: »Gesetzt den Fall, König Lot von Orkney läßt
sein Heer an unserer Nordgrenze aufmarschieren – was kann unser König hier
anderes tun, als sein Heer ebenfalls dort zu formieren? Und weiter: gesetzt den
Fall, alle Lot-Leute zögen ihre Schwerter – was könnten wir anderes tun, als
unsere zu ziehn? Die Situation könnte noch viel komplizierter sein. Mir
scheint, Aggression ist ziemlich schwer zu definieren.« Merlin war verdrossen.
    »Nur, weil Euch daran liegt«, sagte er. »Ganz
offensichtlich wäre Lot der Aggressor, da er mit Gewalt droht. Den Übeltäter
kann man stets entlarven, wenn man einen klaren Kopf behält. Und letztlich ist
es immer derjenige, der zum ersten Schlag ausholt.«
    Kay beharrte auf seinem Argument.
    »Nehmen wir einmal zwei Männer«, sagte er, »anstelle von
zwei Heeren. Sie stehen einander gegenüber, sie ziehen ihre Schwerter, unter
irgendeinem Vorwand, sie gehen in Auslage und tänzeln umeinander herum, um auf
die schwache Seite des anderen zu kommen – ja, sie machen mit ihren Schwertern
sogar Finten und tun, als schlügen sie zu: aber sie schlagen nicht zu. Wollt
Ihr sagen, der Aggressor sei derjenige, der tatsächlich als erster zuschlägt?«
    »Ja, wenn’s nicht anders zu entscheiden ist. In Eurem Falle
aber ist’s einwandfrei der Mann, der sein Heer als erster an die Grenze
brachte.«
    »Die Frage nach dem ersten Schlag bringt uns doch keinen
Schritt weiter. Gesetzt den Fall, beide schlagen gleichzeitig zu? Oder gesetzt
den Fall, es ist nicht zu erkennen, wer als erster zugeschlagen hat, weil sich
so viele gegenüberstanden?«
    »Aber man kann’s beinah immer an was anderem entscheiden«,
rief der Alte aus. »Nehmt Euern gesunden Menschenverstand zu Hilfe. Diese gälische
Revolte, zum Beispiel. Welchen Grund hat der König hier, als Aggressor
aufzutreten? Er ist ja bereits ihr Feudalherr. Es wäre unsinnig, so zu tun, als
greife er an. Man attackiert nicht seinen eigenen Besitz.«
    »Ich hab’ wirklich nicht das Gefühl«, sagte Arthur, »als
hätt’ ich angefangen. Ja, ich habe gar nicht gewußt, daß es anfangen würde,
bis es tatsächlich angefangen hatte. Es wird wohl damit zusammenhängen, daß
ich auf dem Land groß geworden bin.«
    »Jeder urteilsfähige Mensch«, fuhr sein Tutor fort, ohne
auf die Unterbrechung einzugehen, »der einen klaren Kopf behält, kann bei
neunzig von hundert Kriegen entscheiden, welche Seite der Aggressor ist. Zuerst
einmal läßt sich feststellen, welche Seite durch einen Krieg möglicherweise
etwas gewinnen könnte. Das ist schon ein starkes Verdachtsmoment. Dann läßt
sich zeigen, welche Seite zuerst mit Gewalt gedroht oder sich als erste bewaffnet
hat. Und schließlich läßt sich häufig nachweisen, wer den ersten Schlag getan
hat.«
    »Setzen wir aber einmal voraus«, sagte Kay, »daß die eine
Seite als erste droht und die andere als erste schlägt?«
    »Ach, geht und steckt Euern Kopf in einen Eimer. Ich
behaupte ja nicht, daß man unbedingt alles entscheiden kann. Ich habe nur zu
Beginn der Diskussion gesagt, daß es viele Kriege gibt, bei denen die
Aggression klar auf der Hand liegt; und zumindest in diesen Kriegen mag es die
Pflicht anständiger Menschen sein, gegen die Kriminellen anzutreten. Wer nicht
sicher ist, daß es sich um einen Kriminellen handelt – und dazu bedarf es aller
nur erdenklichen Fairness und Gerechtigkeit – , der soll auf jeden Fall die Finger davon lassen und Pazifist werden. Ich
erinnere mich, selber einst

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