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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Grund.«
    Merlin kratzte sich das Kinn unterm Bart mit der Hand, die
den Zügel hielt, und überlegte.
    »Uther«, sagte er nach einer Weile, »Euer verstorbener
Vater, war ein Aggressor. Genau wie seine Vorgänger, die Saxen, welche die
›Alten‹ vertrieben. Aber wenn wir weiterhin derart rückwärts gerichtet leben,
dann kommen wir nie zu einem Ende. Die ›Alten‹ waren ihrerseits Aggressoren,
nämlich gegen die frühere Rasse der Kupferbeile; und auch diese Beil-Leute
waren Aggressoren, und zwar gegen irgend welche früheren Eskimos, die von Muscheln
lebten. Und so geht das weiter und weiter, bis man bei Kain und Abel anlangt.
Wichtig ist, daß die Saxen-Eroberung Erfolg hatte, desgleichen der normannische
Sieg über die Saxen. Euer Vater hat die Saxen vor langer Zeit angesiedelt,
brutal oder nicht, und wenn so viele Jahre verstrichen sind, dann sollte man
sich doch bereit finden, einen Status quo anzuerkennen. Auch möchte ich
darauf hinweisen, daß die normannische Eroberung ein Prozeß war, der kleine
Einheiten zu größeren verschmolz – wohingegen die derzeitige Revolte der
Gälischen Konföderation ein Prozeß der Desintegration ist. Sie wollen das United
Kingdom – nennen wir’s ruhig einmal das Vereinigte Königreich – zu einem
Haufen alberner kleiner Königreiche von eigenen Gnaden zerschlagen. Deshalb ist
ihr Grund nicht ›gut‹, wie Ihr sagtet.«
    Wieder kratzte er sich das Kinn und wurde zornig.
    »Diese Nationalisten hab’ ich noch nie vertragen können«,
rief er aus. »Des Menschen Bestimmung ist, zu vereinen und nicht zu teilen.
Wenn man immer weiter teilt, bleiben zum Schluß bloß noch Affen übrig, die sich
aus vereinzelt stehenden Bäumen gegenseitig mit Nüssen bewerfen.«
    »Und trotzdem«, sagte der König. »Mir scheint, es hat da
eine Menge Provokationen gegeben. Vielleicht sollte ich nicht kämpfen?«
    »Sondern klein beigeben?« fragte Kay, eher belustigt denn
bestürzt.
    »Ich könnte abdanken.«
    Sie sahen Merlin an, der ihren Blicken auswich. Er ritt
weiter, starrte geradeaus und kaute auf seinem Bart.
    »Soll ich klein beigeben?«
    »Ihr seid der König«, sagte der alte Mann störrisch.
»Niemand kann Euch Vorhaltungen machen, wenn Ihr’s tut.«
    Später sprach er mit sanfterer Stimme weiter.
    »Wußtet Ihr«, fragte er versonnen, »daß ich selber einer
der ›Alten‹ war? Mein Vater sei ein Dämon gewesen, heißt es, aber meine Mutter war
eine Gälin. Was an Menschenblut in mir fließt, stammt von den ›Alten‹. Und was
mach’ ich? Ich prangere ihre Vorstellung von Nationalismus an, was mich in den
Augen ihrer Politiker zum Verräter stempelt – durch derlei Klassifizierungen
lassen sich in Debatten leicht Punkte erringen. Und wißt Ihr noch etwas,
Arthur? Das Leben ist schon bitter genug – auch ohne Territorien und Kriege und
Adelsfehden.«
     
     
     
     
    KAPITEL 4
     
     
    Das Heu
war unter Dach und Fach, und das Getreide würde in einer Woche reif sein. Sie
saßen am Rande eines Kornfelds im Schatten und beobachteten die dunkelbraunen
Menschen mit den weißen Zähnen, die in der Sonne werkelten, ihre Sicheln
wetzten und sich insgesamt auf das Ende der Feldarbeit vorbereiteten. Es war
friedlich auf den Äckern, die in der Nähe des Schlosses lagen, und vor Pfeilen
brauchte man keine Angst zu haben. Während sie den Erntearbeitern zusahen,
streiften sie mit den Fingern die halbreifen Ähren ab und bissen genüßlich auf
die Körner, schmeckten das milchige Mehl des Weizens und den trockenen,
weniger ergiebigen Hafer. Die perlartige Glätte des Gerstenkeims wäre ihnen
fremd vorgekommen, denn diese Kulturpflanze war noch nicht bis Gramarye
vorgedrungen.
    Merlin war immer noch mit seinen Erläuterungen beschäftigt.
    »Als ich ein junger Mann war«, sagte er, »herrschte die
Auffassung, daß es ein Unrecht sei, in irgendeinem Krieg, ganz gleich welcher
Art, zu kämpfen. Eine gehörige Menge Menschen erklärte dazumal rundheraus, nie
und nimmer würden sie für irgend etwas kämpfen.«
    »Vielleicht hatten sie recht«, sagte der König.
    »Nein. Es gibt einen Grund – und das ist, wenn der andere
anfängt. Seht Ihr: Kriege sind böse Taten einer bösen Spezies. Sie sind so
böse, daß sie nicht erlaubt sein dürften. Kann man jedoch absolut sicher sein,
daß der andere angefangen hat, dann könnte sich daraus die Pflicht ergeben, ihm Einhalt zu gebieten.«
    »Aber beide Seiten behaupten doch immer, daß die andere
angefangen habe.«
    »Natürlich tun sie das,

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