Der König auf Camelot
und Ängste dieser Feldzüge hatten
ihn zum Prachtkerl, zu einem ganzen Mann gemacht. Nun sah es endlich so aus,
als sei ihm Frieden beschieden. Er dachte darüber nach, wie herrlich es sein
müsse, in Frieden zu leben und eines Tages selber zu heiraten, wie Merlin es
prophezeit hatte, und eine Familie zu gründen, ein Heim zu haben. Da fiel ihm
Nimue ein. Dann dachte er an alle möglichen schönen Frauen. Und schlief ein.
Mit einem
Ruck fuhr er aus dem Schlafe auf. Vor ihm stand eine schwarzhaarige, blauäugige
Schönheit. Sie trug eine Krone. Die vier wilden Kinder aus dem Norden standen
hinter ihrer Mutter, scheu und trotzig, und die Königin wickelte ein langes
Band auf.
Queen Morgause von den Außen-Inseln war dem Fest mit
Vorbedacht ferngeblieben – mit größter Sorgfalt hatte sie den richtigen, ihr
günstigen Augenblick gewählt. Der junge König erblickte sie zum ersten Mal, und
sie wußte, daß sie blendend aussah.
Es ist kaum zu erklären, wie so etwas seinen Anfang nimmt.
Vielleicht hatte die ›Fessel‹ gewirkt. Vielleicht lag es daran, daß sie doppelt
so alt war wie er und deshalb mit doppelter Macht dem Waffenmann
gegenüberstand. Vielleicht kam es daher, daß Arthur treuherzig und gutgläubig
war und jedem blindlings vertraute. Vielleicht auch spielte mit, daß er nie
eine Mutter gehabt hatte: Das Urbild der Mutterliebe, das Morgause, umringt
von ihren Kindern, so meisterlich zu mimen verstand, hat ihm möglicherweise den
Kopf verdreht.
Welche Erklärung man auch bevorzugen mag – die Königin von
Luft und Dunkelheit bekam neun Monate später von ihrem Halbbruder ein Kind. Es
wurde Mordred genannt. Merlin zeichnete später dessen Stammbaum auf und
murmelte dabei etwas von pied-de-grue: »Hat ja so kommen müssen.«
Graf von Cornwall = Igraine = Uther Pendragon
Morgan leFay Elaine Lot =
Morgause = Arthur
Gawaine
Agravaine Gaheris Gareth Mordred
Auch wenn
man es auf den ersten Blick nicht einsieht und sich in die Schulstube versetzt
fühlt – dieser Stammbaum ist ein wesentlicher Bestandteil der Tragödie von
König Arthur. Deshalb nannte Sir Thomas Malory sein äußerst umfangreiches Buch Der
Tod von Arthur. Obwohl es zu neun Zehnteln von Rittern und ihren Tjosten zu
handeln scheint, von der Hohen Suche nach dem heiligen Gral und vielen anderen
Dingen dieser Art, ist die Erzählung doch ein Ganzes, und es geht in ihr um die
Frage, aus welchen Gründen der junge Mann am Ende scheitert. Es ist eine Tragödie,
im aristotelischen Sinn, eine komplette Tragödie: Die Sünde sucht ihre
Herdstatt heim. Deshalb ist es wichtig, die Abkunft von Arthurs Sohn Mordred
festzuhalten und sich zu gegebener Zeit daran zu erinnern, daß der König mit
seiner eigenen Schwester geschlafen hat. Er wußte es nicht, und vielleicht lag
alles an ihr, doch scheint es, in der Tragödie, als reiche Unschuld allein
nicht aus.
EXPLICIT
LIBER SECUNDUS
Drittes
Buch:
Der
Missratene Ritter
„Nein“ sagte Sir
Lanzelot,
„denn einmal
beschämt,
ist für immer
entehrt.“
INCIPIT LIBER TERTIUS
KAPITEL l
Im Schloß zu Benwick
betrachtete der junge Franzose sein Gesicht in der blankgescheuerten Wölbung
eines Eisenhutes. Der blinkte im Sonnenschein mit dem kalten Glanz von Metall.
Er unterschied sich kaum von einem Stahlhelm, wie ihn die Soldaten noch heute
tragen; und er gab keinen sehr guten Spiegel ab, doch ein besserer war nicht
zur Hand. Der Knabe drehte die Kopfbedeckung hin und her, in der Hoffnung,
trotz den mancherlei Verzerrungen, die durch die Dellen entstanden, sich ein
ungefähres Bild von seinem Gesicht machen zu können. Er versuchte
dahinterzukommen, wer er war, und er fürchtete sich vor dem Ergebnis.
Der
Junge war der Meinung, mit ihm stimme etwas nicht. Sein ganzes Leben hindurch –
sogar dann noch, als er ein großer Mann war, dem die Welt zu Füßen lag – sollte
er diese Lücke verspüren, diesen Riß: im Innersten war da etwas, dessen er sich
bewußt war und dessen er sich schämte, das er jedoch nicht fassen konnte, nicht
begriff. Es besteht für uns keine Veranlassung, dieses Rätsel lösen zu wollen.
Wir brauchen nicht in dem herumzustochern, was er selber lieber im Dunkeln
lassen wollte.
Die
Rüstkammer, in welcher der Junge stand,
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