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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Räume war die Rüstkammer. Sie befand sich zwischen dem Marstall,
für fünfzig Pferde, und den Kuhställen. Die besten Rüstungen – jene Erbstücke,
die tatsächlich in Benutzung waren – wurden in einem kleinen Raum innerhalb der
eigentlichen Burg aufbewahrt, und in der Rüstkammer befanden sich nur die
Waffen der Reisigen, die Ersatzteile für die Rüstungen des Burgherrn und seiner
Angehörigen sowie all jene Dinge, die zur körperlichen Ertüchtigung und zum
kriegerischen Training gebraucht wurden.
    Am
Dachgebälk hing oder lehnte eine Sammlung von Bannern und Wimpeln mit dem
Wappen der Ban – heute France Ancient geheißen – , die bei mancherlei
Gelegenheiten gebraucht wurden. Die Wände entlang waren Tüte-Lanzen gelagert,
waagrecht auf Pflöcken liegend, damit sie sich nicht warfen. Sie sahen aus wie
Barren in einer Turnhalle. In einer Ecke standen alte Lanzen, die schon
verkrümmt oder sonstwie schadhaft waren, vielleicht aber doch noch zu irgend
etwas taugten. Ein Gestell, das die gesamte Länge der zweiten Hauptwand
ausfüllte, beherbergte die Ausrüstung für das Fußvolk: Panzerhemden,
Halsbergen, Fausthandschuhe, Speere, Helme und Bordeaux-Schwerter. König Ban
konnte von Glück sagen, daß er in Benwick lebte, denn die Bordeaux-Schwerter
gab es nur hier in der Gegend, und sie waren besonders gut. Harnischfässer
standen da, in denen die Rüstungen, sorgfältig mit Heu verpackt, für
Expeditionen nach Übersee aufbewahrt wurden. Ein paar Fässer waren von der
letzten Ausfahrt her noch voll: eine äußerst seltsame Mischung. Onkel Dap, dem
die Rüstkammer unterstand, hatte eines dieser Fässer geöffnet, um Inventur zu
machen, und war verzweifelt davongeeilt, als er zehn Pfund Datteln und fünf
Zuckerhüte darin entdeckte. Es mußte sich wohl um eine Art Honigzucker handeln,
falls es nicht richtiger Zucker war, ein Mitbringsel von den Kreuzzügen. Er
hatte seine Liste neben dem Faß liegenlassen; in ihr war unter anderem
aufgeführt: i Schallern mit Gold verzürt, iii Paar Pantserhandschuh, i Gewandt,
i Mäßbuch, i Umbhang, i Paar Kedden-hembder, i Pyßnapf von Sylber, x
Leibhembder fir meinen Herrn, i Läderwams und i Beitel Schachfyguren. In einem
von den Harnischfässern gebildeten Alkoven befand sich ein Regal, das die
Klinik für blessierte Rüstungen darstellte. Auf den Borden standen riesige
Flaschen mit Olivenöl – heutzutage benutzt man fürs Kriegsgerät lieber
Mineralöl, doch solch feine Unterscheidungen waren zu Lanzelots Zeiten noch
unbekannt – , daneben Kästen mit feinem Sand zum Polieren, Beutel mit
Kettenhemd-Schuppen, Nieten, Ersatzringen für Halsbergen, Lederstücke für
Riemen und Knieschutz-Unterlagen – sowie tausend andere Dinge, die heute kaum
mehr bekannt sind, damals jedoch wichtig waren. Es fanden sich da gefütterte
Wämser, ähnlich denen, die ein Hockey-Torwart oder ein amerikanischer
Footballspieler trägt. Um in der Mitte der Halle freien Platz zu gewinnen,
hatte man allerlei Sportgerät in die Ecken verbannt: Stechpuppen und
dergleichen mehr. Onkel Daps Schreibpult war gleich neben der Tür postiert. Auf
diesem Pult vermischten sich kunterbunt Federkiele, Löschsand, Stöcke (für die
Züchtigung Lanzelots, wenn er sich dumm anstellte) und Notizen in unsäglichem
Wirrwarr. Mit Krickelkrakel war vermerkt, welche Wämser letzthin an wen
verpfändet worden waren (das Verpfänden wertvoller Ausrüstungsstücke war gang
und gäbe), welche Helme auf modischen Hochglanz gebracht worden waren, wessen
Armschienen repariert werden mußten…
    Drei Jahre sind für einen Jungen gewiß eine sehr
lange Zeit, wenn er sich stets in ein und demselben Raum aufhalten muß und ihn
nur zum Essen und Schlafen und Lanzenstechen verlassen darf. Es ist schon
schwierig, sich vorzustellen, daß ein Junge überhaupt so etwas tut. Doch man
sollte von vornherein wissen, daß Lanzelot kein treuherzig verschwärmter
Romantiker war. Tennyson und die Präraffaeliten hätten schwerlich den
rechten Blick für dieses verdrossene und verdrießliche Kind mit dem häßlichen
Gesicht gehabt, das keinem zu erkennen gab, daß es von Träumen und Gebeten
lebte. Möglicherweise hätten sie fassungslos staunend gefragt, warum ein so
junger Mensch mit solch wütender, ausdauernder Heftigkeit gegen sich selber
kämpfte, um so früh schon den eigenen Körper zu bezwingen. Sie hätten
herumgerätselt, weshalb er denn wohl so sonderbar war.
    Anfänglich
mußte er die tristen Monate damit zubringen, daß er,

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