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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Waffen Bescheid wissen, über
den Schnitt eines Umhangs, über die Gelenkführung eines Schulterpanzers; auch
darüber, ob Zedernholz für Speere besser ist als Esche, wie Chaucer angenommen
zu haben scheint.
    Hier
sei ein kleines Beispiel für die Probleme des Rittertums angeführt, die er sich
in jungen Jahren durch den Kopf gehen ließ. Es gab mal einen Ritter namens
Reynaud de Roy, der sich mit einem anderen Ritter, John de Holland geheißen, im
Lanzenstechen maß. Reynaud befestigte seinen Tilte-helm – diese riesige,
strohgefütterte Trommel, die bisweilen sogar über den eigentlichen Helm paßte –
absichtlich derart, daß er leicht abging. Als John de Hollands Speer diese
Blechtonne traf, purzelte sie einfach herunter. Statt daß Reynaud vom Pferde
fiel, fiel also nur der Helm von Reynaud. Ein wirksamer Trick, wenngleich nicht
ungefährlich. Die gesamte Ritterschaft debattierte darüber lange Zeit; einige
sagten, es sei unsportlich; einige meinten, es sei zwar fair, doch zu riskant;
und wieder andere hielten es für eine gute Idee.
    Drei
Jahre strengster Disziplin machten aus Lanzelot kein sonniges Gemüt, allzeit
bereit für Tandarei und Tralala. Sechsunddreißig Monate seines Lebens, das aus
der Sicht seines Alters allenfalls nach Wochen zu messen war, opferte er der
Idee eines anderen Mannes, die er ins Herz geschlossen hatte. Unterdessen hielt
er sich mit Tagträumen aufrecht. Er wollte der beste Ritter der Welt werden, so
daß Arthur seinerseits ihn lieben würde; und er wollte noch etwas anderes, das
dazumal noch möglich war.
    Er
wollte, kraft seiner Reinheit und Außerordentlichkeit, die Fähigkeit erlangen,
irgendein übliches Wunder zu vollbringen – einen Blinden zu heilen,
beispielshalber.
     
     
     
     
    KAPITEL 3
     
     
    Die großen Familien,
die mit Arthurs Verhängnis unmittelbar zusammenhingen, hatten ein gemeinsames
Merkmal. Alle drei verfügten über einen Hausgenius – eine Mischung von
Hauslehrer und Vertrauensmann – , der prägend auf den Charakter der jeweiligen
Kinder einwirkte. In Sir Ectors Schloß war’s Merlin gewesen, der auf Arthurs Leben
den größten Einfluß ausübte. Im einsamen und fernen Lothian war es St.
Toirdealbhach, dessen kriegerische Philosophie am Clan- und Klüngelkult von
Gawaine und seinen Brüdern gewiß beteiligt war. Und in König Bans Schloß gab es
einen Onkel von Lanzelot namens Gwenbors. Wir kennen ihn bereits als »Onkel
Dap«, sein Taufname war jedoch Gwenbors. Bei der Namenswahl für Kinder verfuhr
man damals meist so, wie man’s heute hält, wenn man einen Namen für Jagdhunde
oder Pferde aussucht. War man Königin Morgause und hatte man vier Kinder, so
bekamen sie alle ein G in ihren Namen (Gawaine, Agravaine, Gaheris, Gareth);
und wessen Brüder Ban und Bors hießen, der bekam unweigerlich den Namen
Gwenbors. Auf diese Weise konnte man sich leichter merken, wer man war.
    Onkel
Dap war der einzige in der Familie, der Lanzelot ernstnahm, und Lanzelot war
der einzige, der Onkel Dap ernstnahm. Es war leicht, den Alten nicht ernstzunehmen,
denn er gehörte zu den Sonderlingen, über die dumme Menschen sich gerne
lustigmachen: ein echter maestro. Das Spezialgebiet seiner Gelehrsamkeit
war das Rittertum. In Europa gab es kein Stück Rüstung, über das Onkel Dap
nicht seine Theorie gehabt hätte. Der neue gotische Stil mit seinem Gefältel,
seinen Rillen und Rüschen, seinen Kammuschel-Mustern machte ihn rasend. Er
hielt es für lachhaft, eine Rüstung mit derart vielen Einkerbungen zu tragen,
da logischerweise in jeder Vertiefung die Spitze eines Speers oder einer Lanze
Halt finden mußte. Der einzige Zweck einer guten Rüstung sei es, so sagte er,
den point einer Angriffswaffe abgleiten zu lassen. Und wenn er an die
Deutschen und deren entsetzlichen Furchenstil dachte, schnappte er fast über.
Auch in der Heraldik gab es nichts, was er nicht gewußt hätte. Wenn jemand
einen gröberen Fehler beging – indem er etwa Metall auf Metall setzte oder
Farbe auf Farbe – , geriet er außer sich. Die Enden seines langen weißen
Schnauzbarts vibrierten gleich Fühlern, mit dem Ausdruck leidenschaftlichster
Erregung preßte er seine Fingerspitzen zusammen, und er wedelte mit den Armen,
sprang auf und nieder und wackelte mit den Augenbrauen, und es war ein Wunder,
daß er nicht schnaubte und zischte. Man kann wohl kein maestro sein,
ohne von solchen Erregungen gepackt zu werden. Deshalb nahm Lanzelot es auch
selten krumm, wenn er bei einer mêlée etwas

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