Der König auf Camelot
sollte.
Sie
sagte sich, daß Lanzelot sie betrogen habe, daß sie das Opfer von Elaines
Schläue geworden sei und daß ihr Liebhaber sie aufs neue betrügen werde. Sie
quälte und marterte sich mit tausenderlei Gedanken. Was sie indessen wirklich
fühlte, in den Dunkelzonen ihres Herzens, war etwas ganz anderes. Vielleicht
war sie tatsächlich eifersüchtig: nicht auf Elaine, sondern auf das Kind.
Vielleicht fürchtete sie auch Lanzelots Liebe zu Arthur. Möglicherweise
ängstigte sie die gesamte Situation, ihre Brüchigkeit, die Nemesis, die darin
lauerte. Frauen wissen gemeinhin viel besser als Männer, daß man der Gebote
Gottes nicht ungestraft spottet. Sie haben dazu mehr Grund.
Wie
man Ginevras Haltung auch erklären mag – für ihren Geliebten war das Ergebnis
schmerzhaft. Sie wurde so ruhelos wie er, noch unvernünftiger und viel
grausamer.
Arthurs
Gefühle machten die heikle Lage bei Hofe vollkommen. Zu seinem eigenen Pech war
er in schönster Weise aufgezogen worden. Sein Lehrer hatte ihn herangebildet,
wie das Kind im Mutterleib herangebildet wird, wo es die ganze Geschichte der
Menschheit vom Fisch zum Säugetier durchlebt – und wie ein Kind im Mutterleib
war auch er all die Zeit von Liebe beschützt gewesen. Die Folge einer solchen
Erziehung war, daß er groß wurde, ohne sich eine jener praktischen Fähigkeiten
anzueignen, die zur Lebenstüchtigkeit gehören: Bosheit, Eitelkeit, Argwohn,
Grausamkeit und die gewöhnlicheren Arten der Selbstsucht. Eifersucht schien ihm
die unedelste aller Eigenschaften zu sein. Es war ihm schlechthin nicht
möglich, seinen besten Freund zu hassen und seine Frau zu quälen. Ihm war
zuviel Liebe und Vertrauen entgegengebracht worden, als daß er für derlei hätte
Talent entwickeln können.
Arthur
gehörte nicht zu jenen interessanten Charakteren, deren subtile, reich
verästelte Motive sich sezieren lassen. Er war nur ein einfacher und
liebevoller Mensch, da Merlin Liebe und Einfachheit für erstrebenswert gehalten
hatte.
Jetzt,
da er sah, wie sich vor seinen Augen eine Situation entwickelte, deren
Bewältigung seit eh und je als äußerst schwierig gilt – als so schwierig, daß
man das Ganze eigens mit einem Etikett versehen und als ›Ewiges Dreieck‹
klassifiziert hat, so, als handle es sich um ein geometrisches Problem wie bei
der pons asinorum von Euklid – , jetzt blieb Arthur gar nichts anderes
übrig, als sich zurückzuziehen. Gewöhnlich sind es die vertrauensvollen und
optimistischen Menschen, die es sich leisten können, einen Rückzieher zu machen.
Die lieblosen und treulosen werden meist von ihrem Pessimismus zum Angriff
gezwungen. Arthur war stark und sanftmütig genug, um zu glauben, daß er
Lanzelot und Ginevra nur zu vertrauen brauche, damit sich schließlich alles zum
besten wende. Dies schien ihm ratsamer als der Versuch, die ganze Angelegenheit
auf der Stelle zu bereinigen, etwa durch den Befehl, die Liebenden wegen
Verrats zu enthaupten.
Arthur
wußte nicht, daß Lanzelot Ginevras Liebhaber war. Er hatte sie nie zusammen
entdeckt oder Beweise ihrer Schuld in die Hände bekommen. Es lag in seiner
Natur, daß er unter diesen Umständen hoffte, sie nie zusammen zu entdecken, und
keinen Augenblick daran dachte, eine Falle zu stellen, die den Eklat bewirkt
hätte. Das heißt aber nicht, daß er als Ehemann in stillschweigendem
Einverständnis ein Auge zugedrückt habe. Nein, er hoffte einfach, das Unheil
vermeiden zu können, indem er sich weigerte, es in sein Bewußtsein
eindringen zu lassen. Unbewußt war ihm natürlich völlig klar, daß sie zusammen
schliefen – wie ihm auch klar war, daß seine Frau dies zugeben würde, wenn er
sie danach fragte. Ihre drei großen Tugenden waren Mut, Großzügigkeit und
Aufrichtigkeit. Also konnte er sie nicht fragen.
Eine
derartige Haltung angesichts der Situation machte es dem König nicht gerade
leicht, glücklich zu sein. Er wurde nicht reizbar wie Ginevra oder ruhelos wie
Lanzelot, sondern reserviert. Er bewegte sich in seinem eigenen Palast wie eine
Maus. Dennoch probierte er es ein einziges Mal, die Nessel zu packen.
»Lanzelot«,
sagte der König, als er ihm eines Nachmittags im Rosengarten begegnete, »Ihr
seht in letzter Zeit recht elend aus. Was ist los?«
Lanzelot
hatte eine Rose abgerissen und zupfte an den Kelchblättern. Die Rosen der
damaligen Zeit waren – wie man unlängst festgestellt hat – so gebaut, daß die
fünf Kelchblätter über die Kronblätter hinausragten: genau so, wie
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