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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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haben mußte, um das Gemach des Königs verlassen zu
können. In der Dunkelheit war er zu ihr gerufen worden. Die gewohnte Hand hatte
ihn heimlich beim Finger genommen, und auf Zehenspitzen war er zum erwählten
Lager geführt worden. Das ihnen auferlegte Schweigen (des Königs Zimmer war
gleich nebenan) hatten sie durch leidenschaftliche Zärtlichkeit wettgemacht. Lanzelot
war heute glücklicher, als er es seit Beginn der Geschichte mit Elaine jemals
gewesen war. Wenn es ihm nur gelingen wollte, Ginevra dazu zu überreden, daß
sie dem König reinen Wein einschenkte und einen klaren Trennungsstrich zöge,
dann bliebe vielleicht noch eine Möglichkeit, in Ehren zu bestehen.
    Ginevra
saß steif, wie zur Leiche erstarrt. Ihr Gesicht war blutleer. Nur zu beiden
Seiten ihrer Nasenflügel zeigte sich ein roter Fleck. Sie sah aus, als sei sie
seekrank. Sie war allein.
    »Also«,
sagte die Königin.
    Elaine
sah ihr unbeirrt in die blauen Augen, Lanzelot hingegen blieb stehen, als habe
ihn ein Schuß getroffen.
    »Also.«
    Sie
rührten sich nicht und warteten, bis Ginevra sprechen oder umsinken würde.
    »Wo
wart Ihr letzte Nacht?«
    »Ich…«
    »Ihr
braucht’s mir nicht zu sagen!« rief die Königin und winkte heftig ab, so daß
sie das zerrissene und zusammengeballte Taschentuch in ihrer Hand bemerkten.
»Verräter! Verräter! Hinaus mit Euch, hinaus aus meinem Schloß, Ihr und Eure
Hure!«
    »Letzte
Nacht…« sagte Lanzelot. Ihm drehte sich der Kopf, verwirrt vor jäher
Verzweiflung, die keine der beiden Frauen beachtete.
    »Sprecht
mich nicht an. Belügt mich nicht. Geht!«
    Elaine
sagte ruhig: »Sir Lanzelot war letzte Nacht in meinem Zimmer. Frau Brisen hat
ihn im Dunkeln zu mir gebracht.«
    Die
Königin wies zur Tür. Mit ausgestrecktem Finger machte sie Stoßbewegungen und
zitterte derart, daß ihr Haar herabfiel. Sie sah abschreckend aus.
    »Hinaus!
Hinaus! Du auch, du Biest! Wie könnt Ihr es wagen, in meinem Schlosse so zu
reden? Wie könnt Ihr es wagen, so etwas zuzugeben? Nehmt Euern Kerl und geht!«
    Lanzelot
atmete ungestüm und sah die Königin fassungslos an. Er meinte, nicht ganz bei
Bewußtsein zu sein.
    »Er
hat geglaubt, er ginge zu Euch«, sagte Elaine. Sie hielt die Hände gefaltet und
beobachtete die Königin gleichmütig.
    »Die
alte Lüge!«
    »Es
ist keine Lüge«, sagte Elaine. »Ich konnte nicht ohne ihn leben. Brisen hat mir
geholfen, ihn irrezuführen.«
    Ginevra
rannte mit unsicheren Schritten auf sie zu. Am liebsten hätte sie dem Mädchen
eins auf den Mund gegeben. Elaine rührte sich nicht. Es war, als hoffe sie, daß
Ginevra sie schlagen werde.
    »Lügnerin!«
schrie die Königin.
    Sie
lief zu Lanzelot. Der hatte sich auf einer Truhe niedergelassen und starrte,
den Kopf zwischen den Händen, ausdruckslos zu Boden. Sie packte seinen Umhang
und versuchte, ihn zur Tür zu zerren. Doch er rührte sich nicht von der Stelle.
    »Die
alte Geschichte! Ihr habt sie der Metze beigebracht. Weshalb habt Ihr Euch
keine neue einfallen lassen? Ihr hättet mir ruhig etwas Interessantes bieten
können. Aber Ihr habt wohl gedacht, das alte Zeug ist immer noch gut genug,
wie?«
    »Jenny
– « sagte er, ohne aufzublicken.
    Die
Königin versuchte, ihn anzuspucken; aber sie hatte so was noch nie probiert.
    »Wie
könnt Ihr’s wagen, mich Jenny zu nennen? Ihr riecht ja noch jetzt nach ihr. Ich
bin die Königin, die Königin von England! Ich bin nicht Euer Flittchen!«
    »Jenny
– «
    »Aus
meinem Schloß mit Euch!« schrie die Königin mit äußerster Kraft. »Und laßt Euch
nie wieder hier blicken. Ihr – mit Euerm bösen, häßlichen, tierischen Gesicht.«
    Plötzlich
sagte Lanzelot, zum Boden gewandt, mit lauter Stimme: »Galahad.«
    Dann
nahm er die Hände vom Kopf und blickte auf, so daß sie das Gesicht sehen
konnten, von dem die Rede war. Es zeigte einen Ausdruck der Überraschung. Ein
Augenlid zuckte.
    Er
sagte diesmal ruhiger: »Jenny.« Dabei wirkte er wie ein Blinder.
    Die
Königin öffnete den Mund, um etwas zu sagen; doch es kam nichts heraus.
    »Arthur«,
sagte er. Alsdann stieß er einen schrillen Schrei aus und sprang stracks durchs
Fenster, das im ersten Stock war. Sie hörten, wie er krachend im Gesträuch
landete, hörten Knacken und Knistern im Gezweig, und dann rannte er davon durch
Busch und Baum, mit einem Jammerjodler, heulend, als war’s eine Meute hetzender
Hunde. Der Spektakel verlor sich in der Ferne, und um die beiden Frauen war es
still.
    Elaine
war jetzt ebenso bleich wie

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